(Conrad Taler)
Das British Museum in London zeigt seit kurzem eine Ausstellung über Deutschland, die nach Darstellung der Deutschen Welle das britische Deutschlandbild verändern und geraderücken will. Der Titel lautet »Germany: Memories of a Nation«. Die Ausstellung sei eine Art Gratulation der Briten zu 25 Jahren Mauerfall. »Der Ausgangspunkt ist«, sagte Museumsdirektor Neil MacGregor gegenüber dem Sender, »daß die meisten Briten von der deutschen Geschichte nur zwölf Jahre kennen, die zwölf schwarzen Jahre sozusagen.« Im Deutschlandradio Kultur lobte MacGregor Deutschland für »eine beispiellos ehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit«.
Ist der Direktor des British Museums beispiellos unwissend oder nur beispiellos gefühllos gegenüber denen, die unter dem Nationalsozialismus gelitten haben? Hätte es die beispiellos ehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wirklich gegeben, dann hätte die Entnazifizierung nicht durch die vorzeitige Entlassung verurteilter Kriegsverbrecher unterlaufen werden dürfen. Aber Hitlers Generäle mit ihrer Erfahrung im Kampf gegen Rußland wurden für die deutsche Wiederbewaffnung gebraucht.
Der Chef der Nazi-Spionage-Organisation »Fremde Heere Ost«, Reinhard Gehlen, war als Berater westlicher Geheimdienste herzlich willkommen. Zusammen mit dem Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Hans Globke, hintertrieb Gehlen als Leiter des Bundesnachrichtendienstes die Entdeckung Adolf Eichmanns, des Organisators der Massenmorde an den Juden. Ein Verfolgter des Naziregimes, der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, kam ihnen in die Quere.
Was hat es mit einer angeblich beispiellos ehrlichen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu tun, daß an die Spitze des für politische Strafsachen zuständigen Senats beim Bundesgerichtshof ausgerechnet jener Ernst Kanter berufen wurde, der als Chefrichter im besetzten Dänemark für Todesurteile gegen Widerstandskämpfer verantwortlich gewesen war? War es das Ergebnis einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, daß ein Mann wie Theodor Oberländer erst dann aus dem Bundeskabinett entlassen wurde, als ein Verfolgter des Naziregimes dessen tiefbraune Vergangenheit enthüllt hatte?
Wie konnte es dazu kommen, daß einem wegen Auschwitz-Verbrechen verurteilten Industriellen das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, zu allem Hohn auch noch ausgerechnet wenige Wochen nach Beginn des Auschwitz-Prozesses in Frankfurt? Auch dieser Skandal wäre sang- und klanglos über die öffentliche Bühne gegangen, hätte nicht ein deutscher Verfolgter des Naziregimes die Beteiligten mit der Nase auf diese unglaubliche Verhöhnung der Opfer des Holocaust gestoßen.
Dear Mister Neil MacGregor – haben Sie vielleicht etwas verpaßt?