Ein Tagebuch

Heimatliche und innere Landschaften

Ein Tagebuch

Bei dem nachfolgenden Text handelt es sich um meine Aufzeichnungen aus der Zeit unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Sie beginnen mit der Rückkehr aus Krieg und Gefangenschaft in die Heimat am Fuße des Riesengebirges, sie beschreiben den schmerzhaften Abschied von der Heimat und enden fünf Jahre später mit dem Beginn meiner beruflichen Tätigkeit als Journalist in Stuttgart.

Der einleitende Satz „Ich bin frei” bezieht sich auf meine Entlassung aus einem tschechischen Lager, in das ich als ehemaliger Soldat der deutschen Wehrmacht eingeliefert worden war. Mit der Bemerkung, „Ich hatte mich operieren lassen”, hat es folgende Bewandtnis: Damit ich nicht zur Zwangsarbeit in eine Kohlengrube geschickt werden konnte, simulierte ich im Lager eine Blinddarmentzündung. Ich tat dies so glaubhaft, daß der Kommandant mich ohne Bewachung in ein Krankenhaus gehen ließ. Dort wurde mir ein gesunder Blinddarm entfernt.

Eine Stunde vor der Operation hatte ich erfahren, dass ein Gesuch meines Vaters, mich als Sohn eines Antifaschisten von weiterer Haft zu verschonen, Erfolg gehabt hat. Die Operation war damit überflüssig geworden. Da ich aber als Soldat wegen derselben „Krankheit” schon einmal bis auf einen Operationstisch gelangt war, wollte ich den Blinddarm diesmal los werden.


Sommer 1945

Ich bin frei. Nur wer selbst in Gefangenschaft war kann wirklich nachfühlen, was es bedeutet, sich frei bewegen zu können, ohne die Schritte eines Postens hinter sich oder neben sich zu hören…

Ich hatte mich operieren lassen, ohne dass mir etwas fehlte. Nur um Zeit zu gewinnen.

Herrlicher Sommer! Zwei Wochen bei meinem Vater in Trübenwasser. Langsam gewöhne ich mich an die Freiheit. Sonnige Tage angefüllt mit schrecklichem Geschehen. Angst – Angst in jedem Menschen – die Gewissheit, jede Stunde alles verlieren zu können – Besitztum, Heimat, Verwandte. Ängstlich huschen die Menschen über die Straßen.

Dann bin ich zu Hause in Adamstal. Hier bin ich aufgewachsen. Alles ist so wie früher und doch ganz anders. Könnte ich doch die Zeit zurückdrehen. Wie ein Verbrecher musste ich mich in meine Heimat einschleichen. Ich bin bereit, jede Arbeit anzunehmen. Nur leben will ich und diese schwere Zeit überstehen.

In der vierten Woche nach der Operation finde ich Arbeit bei einem Bauern in unserem Dorf. An die schwere Arbeit muss ich mich erst gewöhnen. Wenn ich mich bücke oder etwas hebe schmerzt die Operationsnarbe. Es muss sein. Erntearbeit – glühende Sonne – Getreidefelder rauschen – friedliche Arbeit in friedloser Zeit. Abends bin ich todmüde. Ende August heißt es, unser Ort sei mit der Aussiedlung an der Reihe.. Nach einem arbeitsreichen heißen Tag gehe ich wieder einmal nach Hause.

Nächsten Morgen ist ein Auto mit Militär im Dorf. Es ist so weit. Weinende Menschen, bepackt mit weniger Habe, werden aus den Häusern geführt. Als ich den einsam gelegenen Bauernhof erreiche, den ich gestern abend nichtsahnend verlassen habe, ist alles still. Öd und verlassen liegt das Gebäude. Hohl klingen meine Schritte auf dem Steinpflaster. Waldmann, der schwarze Jagdhund, heult an der Kette. Ich drücke die Türklinke nieder. Verschlossen. Ich steige aufs Gesims und sehe blicke durch das Küchenfenster. Auf dem Tisch, an dem ich so oft zu Mittag gegessen habe, steht alles durcheinander. An der Wand entlang hangle ich mich zum Schlafzimmerfenster. Auf dem Boden liegen wahllos verstreut Kleidungsstücke. In großer Hast scheinen die Bewohner ein paar Sachen zusammengepackt zu haben, als sie das Haus verlassen mussten

Ich gehe in den Stall. Die Kühe brüllen. Auch die Pferde sind noch nicht gefüttert. Am Brunnen stehen gefüllte Wassereimer. Ich trage sie in den Stall und schütte Heu für die Pferde auf. Dann streiche ich um den Bauernhof. Was soll ich tun? Plötzlich höre ich Schritte. Vom Dorf her kommen fremde Menschen. Die Neuen! Sie dürfen mich hier nicht sehen. Hinter dem Haus geht es hinunter zur Aupa. Ich rase hinab, laufe am Fluss entlang zum Wehr. Vom Berg auf der anderen Seite schaue ich hinunter auf den Bauernhof. Wehmut überfällt mich. Dann drehe ich mich um und gehe heim. Das war am 31.August 1945. Zwei Tage bleibe ich zu Hause. Ich muss eine neue Arbeitsstelle finden.

Ein Brief kam. „Melden Sie sich am 4.September im Garnisonskommando, Abteilung Gefangenenlager. Was will man schon wieder von mir? Ich gehe nach Trautenau zum Vater. Er ist besorgt. Im Garnisonskommando bestätigt ein Leutnant meine Entlassung aus dem Lager. Als die Tür hinter mir zuschlägt, atme ich auf. Die Baufirma, bei der mein Vater im Büro arbeitet, stellt mich als Hilfsarbeiter ein.

Ich kam auf den Lagerplatz für Baumaterial. Ein rauhes, schweres Leben. Am Rande des Lagerplatzes Baracken mit Flüchtlingen aus Troppau. Hier lernte ich Christl kennen, die in dem kleinen Büro auf dem Lagerplatz arbeitete. Sie ist 19 Jahre alt, hat braune Augen und kastanienbraunes Haar. Und ein strahlendes Lächeln. Irgendwann geschah es – wenn unsere Blicke sich kreuzten, stieg es heiß in mir auf.

Dann sagten wir du zueinander. Um wie Vieles bringt das vertraute Du zwei Menschen einander näher! In der Mittagspause und nach Feierabend saßen wir zusammen in der Sonne und sprachen über Bücher, Menschen, den Krieg und die Zeit Sie ist Lehrerin.

Herbst 1945

Nun bin ich die vierte Woche am Lagerplatz und habe nach und nach meine Arbeitskameraden kennen gelernt. Einen will ich näher beschreiben, den alten Efler, ein Original. Wenn er mit seinem spitzbärtigen breiten Gesicht und schlenkernden, schlurfenden Schritten daherkommt, muss ich unwillkürlich an einen Teddybär denken. Er ist schwerhörig, weiß aber anscheinend nichts davon. Wenn es bei der Arbeit nicht so recht klappt, beginnt er zu schimpfen. Ach, wie kann der schimpfen! Was ihm hinderlich ist schleudert er zur Seite, ungeschlacht wie ein Bär. Nicht von ungefähr ist einer seiner Finger immer zerschunden.

Früher hat der Alte als Steinbrecher gearbeitet. Den ganzen Tag allein mit seinen Steinen, das war was für ihn. Die zerbrachen nicht gleich, wenn er sie hin und her warf und so lange drehte, bis die Maserung stimmte für den einzig möglichen Schlag mit dem schweren Hammer, der den Stein spaltete. Da stand niemand im Weg und er selbst konnte nicht überhören, wenn ihm ein anderer etwas zurief. Auch auf dem Lagerplatz arbeitet er am liebsten allein. Dann summt er ein Lied in seinen struppigen Bart und ist guter Dinge. Müdigkeit scheint er nicht zu kennen.

Vom ersten Tag an war ich mit ihm zusammen, lernte seine Eigenheiten kennen und seine Vergangenheit. Auf meine Frage, warum er mit seinen 60 Jahren noch ledig sei, knurrte er: „Keine Zeit gehabt, immer auf Wanderschaft gewesen.”

Belgien hat er zu Fuß durchwandert, Holland, Frankreich. Immer getippelt oder auf den Puffern von Lastzügen gesessen. In Spanien arbeitete er bei einem Obstgroßhändler. Oft fuhr er mit Frachtdampfern hinüber nach Genua, „ins schöne Italien”. Als der erste Weltkrieg ausbrach, lag sein Schiff gerade in Genua vor Anker. Deutsche Geheimpolizei stellte ihn, er sollte mit nach Deutschland – Soldat werden für den Kaiser. Das wollte er nicht, sprang kurzerhand aus dem Boot, das ihn an Land bringen sollte und schwamm zurück zu seinem spanischen Schiff. Kurz vor dem Ziel angelten ihn die Polizisten aus dem Wasser. Nass wie ein Pudel musste er ins Gefängnis. Dort saß er zwei Wochen, dann ging es zurück ins kalte Deutschland.

Während des ersten Weltkrieg stand er an der italienischen Alpenfront und brachte es bis zum Feldwebel. Nach dem Krieg zog es ihn wieder in die Heimat, ins Riesengebirge. Seinen Unterhalt verdiente er sich zunächst als Pascher, wie die Schmuggler bei uns genannt wurden. Dann arbeitete er in einem Bergwerk. Seit 30 Jahren ist er Tagelöhner auf dem Bau. Alt ist er dabei geworden, der Zuttel, wie wir ihn wegen seines zottligen Bartes nennen. Aber er gerät immer noch leicht ins Schwärmen – wenn von Hundefleisch die Rede ist.

Anfang Oktober, die Nächte werden kälter. Mit unserer Firma Pittel & Brausewetter steht es nicht zum besten. Der Lagerplatz in Trautenau soll geschlossen werden. Ich werde auf eine Baustelle in Jungbuch geschickt, einige Kilometer vom alten Arbeitsplatz entfernt. Nun sehe ich Christl die ganze Woche über nicht Eine lange, lange Woche. Auf der Baustelle in Jungbuch sind wir zu sechst. Drei Maurer und wir drei Tagelöhner Zuttel, Linder und ich. In einer Flachgarnspinnerei werden unterirdisch große Betonrohre für eine Ventilationsanlage verlegt. Jetzt lerne ich die Arbeit auf dem Bau erst richtig kennen. Kalkmörtel mischen zum Mauern, Zementmörtel zum Putzen, feinen und groben Beton aus Kies und Zement.

Wieder ist eine Herbstwoche um. Samstag fahre ich mit dem Rad zum Lagerplatz in Trautenau. Als ich unvermittelt vor Christl stehe, fliegt eine Röte über ihr Gesicht. Mich durchströmt ein Glücksgefühl. Als sie mit ihrer Arbeit in der kleinen Schreibstube fertig ist, sitzen wir beisammen, reden über Gott und die Welt und verabreden uns für den nächsten Tag. Einen ganzen langen kurzen Sonntagnachmittag waren wir allein.Wir gingen gegen Neuhof zu, am Rande der Stadt. Es begann leicht zu regnen. Längst wussten wir, wie es um uns stand. Früh wurde es dunkel. Es war im Oktober. Die Wälder wurden bunt. Tief hingen Wolken um die Berge. Die Natur rüstete sich zum Sterben, aber in uns beiden blühte es. Ein Händedruck zum Abschied. „Bis nächsten Sonntag.” Wie unendlich lang kann eine Woche sein, wenn man wartet.

Strahlender Herbsthimmel, bunte Blätter fallen auf die Straßen. Letzte warme Sonne. Den ganzen Sonntagnachmittag gingen wir durch den herbstlichen Wald. Ich war sehr glücklich. Nicht an gestern dachte ich und nicht an morgen. Es wurde Abend. In der Stadt glitzerten die ersten Lichter auf. Wir gingen heimwärts – der Feldweg war schmal. Leuchtkugeln stiegen auf und hüllten alles in gespenstisches Licht.

Wieder fing eine Woche an – und ging vorbei. Am Samstag trafen wir uns bei Papa im Büro. Es war der 27. Oktober. An diesem Tag habe ich Christl zum erstenmal geküsst. Vorbei das Zweifeln, die Melancholie, das Hin- und Hergerissensein.

Dann wurde Christl auf die Baustelle in Jungbuch versetzt. Nun waren wir den ganzen Tag beisammen und lernten einander immmer besser kennen. Weihnachten rückte heran. Sollten es friedliche Tage werden mit Mama, Oma und Schwester Margit? Nein! Mißstimmung wegen Nichtigkeiten.

Winter 1945/46

Am ersten Feiertag kam ganz überraschend Papa mit Christl zu Besuch. Am Nachmittag spazierten wir auf dem Kirchweg durch den Wald gegen Rognitz zu. War das ein Weihnachtstag? Mit kaltem Nieselregen und düsteren Nebelfetzen um die Berge? Das traurigste Gesicht zeigte meine Heimat gerade an diesem Tag. Schön hätte es doch sein müssen, glitzernder Schnee, eingemummter Winterwald. War das ein Omen?

Silvesternacht bei Christl in der Baracke auf dem Lagerplatz. Wir ließen uns wahrsagen. Das neue Jahr begann. Jeden Tag sahen wir uns bei der Arbeit. Ich konnte mir ein Leben ohne Christl nicht mehr vorstellen.

Der Jänner ging vorbei und auch der Feber. Kein rechter Winter. Mal schneite es, dann gab es wieder Regen. Eines Tages meinte Christl, sie habe ein seltsames Gefühl, so als sei etwas passiert. „Flausen”, gab ich zur Antwort. Zwei Tage darauf, am Sonntag, fragte sie: „Weißt Du noch, was ich Freitag zu Dir gesagt habe?” Ich sah sie fragend an. „Ich bin entlassen worden.” Qualvoll langsam vergingen jetzt bei der Arbeit die Stunden. Abends kam Christl mit dem Zug nach Jungbuch, so waren wir täglich doch eine Stunde beisammen.

Wie Kinder auf Weihnachten freuten wir uns auf den Sonntag. Ginge doch auf der Baustelle eine Stunde so schnell um wie ein ganzer Sonntagnachmittag. In der folgenden Woche sahen wir uns nur noch täglich eine Viertelstunde am Bahnhof in Trautenau. Solange hatte mein Zug Aufenthalt, bevor er in Richtung Bausnitz weiterfuhr. Was sind 15 Minuten? Sollten wir langsam an das Alleinsein gewöhnt werden? Donnerstagabend erzählte Christl: „Ich soll nächste Woche zur Arbeit auf die Baustelle bei der Firma Eichmann in Marschendorf fahren, was meinst Du dazu?” Ich überlegte. Dort wartete sicher keine Frauenarbeit auf sie. Aber wir könnten uns jeden Tag in der Früh und am Abend im Zug sehen. Christl sagte: „Die Versuchung ist groß.” Ich stimmte zu.

Sonntagabend. „Morgen früh im Zug.” Von Trautenau bis Jungbuch fuhren wir zusammen, dort stieg ich aus. Eines Nachmittags kam der Polier zu mir und sagte: „Kurte, zejtra pojedes do Marsova.” Kurt, morgen fährst du nach Marschendorf. Ich hörte nur Marschendorf. Als ich Christl abends im Zug traf, wusste sie schon davon. Ihre Augen sagten alles. „Wie ging es?” fragte ich. Sie sagte zunächst nichts. Dann: „Ich soll morgen bei einer tschechischen Frau Wäsche waschen.” Am nächsten Tag fuhren wir zusammen bis Freiheit, Endstation der Eisenbahn. Von dort aus hatten wir noch eine halbe Stunde zu gehen.

Ich arbeite jetzt beim Schotterbrecher in Marschendorf. Viel zu warm sind die Tage für den März. Nur ganz oben auf den Hängen des Riesengebirges liegt noch Schnee. Unten im Tal, wo die Aupa fließt, ist bereits alles trocken, aber morgens friert es noch. Wir sind zu neunt, zwei Tschechen und sieben Deutsche. Große Steine aus der Aupa werden zu Schotter zermalmt. Er ist für den Bau eines Kanals bestimmt, durch den Wasser zu einem Kraftwerk geleitet werden soll.

Wir machen zwei Sorten Schotter, groben und feinen. Vier Mann schaffen das Material über eine Rampe hinauf zur Steinmühle. Zwei Mann laden die großen Steine in Schubkarren und zwei schieben die Karren nach oben. Vier von uns fahren den gebrochenen Schotter, der aus einer langen durchlöcherten Trommel herausfällt, auf große Haufen neben der lärmenden Maschine. Zwei Mann sind für das feine und zwei für das grobe Material zuständig. Einer bedient die Maschine und wirft die Steine in den Brecher.

Die Arbeit ist schwer. Nach einer halben Stunde klebt das Hemd am Körper. Der Schweiß beißt in den Augenwinkeln. 30 Kronen will man uns für einen Kubikmeter bezahlen. Lächerliche 30 Kronen. Selbst das haben wir noch nicht schwarz auf weiß. Versprochen hat man uns die Schwerstarbeiterkarte P 4. Abends sind wir alle wie zerschlagen. 24 Kubikmeter haben wir geschafft. Wenn wir in der Früh anfangen, ist der Schotter angefroren, so dass man mit Krampen und Spitzeisen einzelne Brocken losschlagen muss. Taut das Ganze im Laufe des Vormittags auf, steht man beim Einladen im Wasser. Das Material ist so nass und schmierig, dass es die Trommel verklebt. Trotz tierischer Schinderei schaffen wir an diesem Tag nur 22 und einen halben Kubikmeter.

Heute geht es schon etwas besser. Aber selbst wenn wir täglich 30 Kubikmeter fertig brächten, hätten wir nicht viel davon. Je mehr wir verdienen, umso größer der Abzug. Wir kommen mit unserer Akkordarbeit ja nicht einmal auf Stundenlohn. Nachmittags um vier Uhr wird schon gemeutert. Wir wollen nicht mehr als 25 Kubikmeter machen; mehr schaffen wir sowieso nicht, solange der Schotter so nass und so verschmiert ist.

Nun sind wir schon den vierten Tag im Akkord und wissen immer noch nicht, was man uns pro Kubikmeter zahlen will. Als der Ingenieur mit dem Geld kommt, erfahren wir nichts. Wenn man uns nicht schwarz auf weiß gibt, wieviel wir für einen Kubikmeter bekommen, hören wir auf zu arbeiten. Darin sind wir uns alle einig. Um elf Uhr fährt einer der beiden Tschechen, Svaton mit Namen, in die Kanzlei. Inzwischen arbeiten wir langsam weiter. Dann Pause. Mein Mittagessen besteht aus Fladen, die Oma aus Kartoffeln, Mehl und Salz auf der Ofenplatte gebacken hat. Jeden Tag.

Nach der Mittagspause beginnt es zu regnen. Hawel kommt uns mit dem Werkzeug auf der Schulter entgegen und sagt im Riesengebirgsdialekt: „Ich hous a groude sout. Verfluchtes Geschende, die bescheißa ons doch suwiesu ock. Schluß, Feieromd.” Unentschlossen stehen wir beieinander, wie zu einem Klumpen geballt. Der bei uns gebliebene Tscheche sagt: „Delejte co chcete.” Macht, was ihr wollt. „Mne to je jedno.” Mir ist es egal. Wir beschließen, bis vier Uhr zu arbeiten. Voll Wut haut Hawel, der alte Sandarbeiter, das Werkzeug auf den Boden. „Verfluchter Dreck, ejmol hioto uf, dann fangto wieder ou. Do mecht ma dan Dreck hie un ha schleppa.” Wir lachen und fangen wieder an zu arbeiten. Der Regen dringt durch die Kleidung bis auf die Haut. Der hölzerne Laufsteg, über den wir den zweirädrigen schweren Schotterkarren auf die Halde schieben, ist rutschig. Nach einer halben Stunde wirft Schwarz sein Werkzeug weg. „Schluss!”

Auf dem Heimweg treffen wir Svaton. Er hat nichts erreicht. Falls wir Montagfrüh nichts genaues erfahren, fangen wir erst garnicht an zu arbeiten. Mit diesem Entschluß machen wir uns auf den Heimweg. Elf Kubikmeter waren es heute.

Es ist Samstag. Am Vormittag gehe ich nach Rognitz Kartoffeln organisieren. Auch so ein Geschäft. Aber ohne Kartoffeln müssten wir hungern. Am Nachmittag bei Christl in zerrissener Stimmung. Habe wohl wieder meinen schwarzen Tag. Wenn Christl von ihrer behüteten Kindheit inmitten einer richtigen Familie erzählt, werde ich traurig.

Sonntag ist es wieder, ein strahlender Sonnensonntag. Mit dem Rad fahre ich am Nachmittag zu Christl. Unterwegs plagt mich der Gedanke, es könnte das letzte Mal sein.

Montag. Endlich erfahren wir, was man uns für einen Kubikmeter geben will. 37 Kronen! Ein Witz. Ein Trinkgeld für die elende Schinderei. Wir können bei größter Anstrengung höchstens 3o Kubikmeter pro Tag machen, wenn das Material trocken ist und die Maschine gut läuft. Mit acht Mann schafften wir in einer Woche 133 Kubikmeter. Für jeden 37 Kronen das gibt zusammen 4.921 Kronen, geteilt durch acht, bleiben rund 615 Kronen brutto für jeden einzelnen von uns. Bei den Deutschen werden 2o Prozent abgezogen, das ergibt dann rund 492 Kronen. Für Lohnsteuer und Krankenkasse gehen ungefähr 50 Kronen ab und für die Bahnfahrt noch einmal rund 32 Kronen. Bleiben 410 Kronen übrig.

Was sind die paar lumpigen Kronen, wenn ein Brot 9,60 Kronen kostet? Und das bei der sklavischen Quälerei. Abends schmerzt der Rücken, dass ich kaum sitzen kann und wenn ich in der Früh hinauskomme nach Marschendorf bin ich schon so müde, dass ich am liebsten garnicht anfangen möchte zu arbeiten. Nach Feierabend dann zu Fuß eine Dreiviertelstunde Weg bis nach Freiheit, dann eine Stunde Bahnfahrt und schließlich noch eine halbe Stunde zu Fuß bis nach Hause. Um drei Viertel vor acht, also um 19 Uhr 45, bin ich daheim in Adamstal. Von früh um Fünf bis abends um Acht auf den Beinen, und das für rund 400 Kronen.

26./27. März 1946

Dienstag. Christl ist nicht zur Arbeit gekommen. Zu Mittag erscheint Mertlik und sagt, Löffelmann solle seine Sachen zusammenpacken und nach Trautenau kommen. Es ist so weit, er wird ausgesiedelt. Mir schießt es durch den Kopf: das gilt ja dann auch für Christl. Ihre Familie hatte sich mit den anderen Troppauern vor einigen Wochen freiwillig zur Aussiedlung angemeldet. Ich bitte Löffelmann, Christl auszurichten, dass sie abends am Bahnhof in Trautenau auf mich warten soll. Aber sie ist nicht da. Ich gehe zum Lagerplatz. Ihre Mutter sieht mich fragend an. „Wo ist denn Christl? Sie wollte doch am Bahnhof warten.” Schließlich kommt sie, ganz außer Atem. Sie hatte mich verfehlt. Zusammen gingen wir bis auf die Widmut. Sternklar war der Abend. Wir sprachen fast nichts. Noch einmal gingen wir durch Trautenau. In der Baracke wurden die letzten Sachen eingepackt. Bis elf Uhr abends waren wir beisammen. Als wir draußen im Hof standen, begann Christl bitterlich zu weinen. So hatte ich sie noch nie gesehen.

In dieser Nacht ging ich nicht nach Hause, sondern blieb auf dem Lagerplatz im Schlafzimmer der Männer. Angezogen warf ich mich auf ein Bett. Die ganze Nacht über wälzte ich mich von einer Seite auf die andere. Unendlich lang kamen mir die Stunden vor. Am Morgen wurde das Gepäck zum Sammelplatz in der AEG gebracht. Noch eine Weile standen wir beisammen. Ein stummer Händedruck. Vorbei.

Heute arbeiten? Nein. Ich fahre nach Hause. Alles kommt mir leer vor, öde, verlassen und traurig, als hätte ich ein Stück meines Ichs verloren. Am Samstag wollte ich Christl im Sammellager besuchen. Aber niemand durfte hinein. Vom Fenster aus winkte sie mir zu. Bis morgen – rief ich hinauf. Mir war elend zu Mute. Abends trieb es mich hinaus.

So ging ich durch den Abend / in stiller Stunde hin, /an seinem Hauch mich labend, /wusst kaum noch, wo ich bin. – Der Wind umkoste leise / mein Haupt, das mir so schwer./ Er sang so traute Weise / wovon, weiß ich nicht mehr. – So schritt ich traumversunken / und als ich aufgewacht, / da war der Tag ertrunken / und leise kam die Nacht. – Es deckten ihre Schwingen / so sorgsam alles zu, / und langsam kam das Klingen / in meinem Herz zur Ruh. – Die Stirne glühte nicht so heiß / vor Schmerz mir wie zuvor, / Ein Lied erklang in mir ganz leis – / ich fand, was ich verlor.

Diese Zeilen schrieb ich am 30. März 1946.

Sonntag, 31.März.

Ich hatte Glück. Eine halbe Stunde lang konnte ich mit Christl sprechen. Ihre Augen leuchteten. Ich versprach, noch einmal zu kommen. Am Nachmittag nahm mich mein Freund Lois mit zu einer Verabredung im Nachbardorf. Damit ich auf andere Gedanken käme, sagte er. Ich war gut gelaunt wie lange nicht, aber zwischendurch überfiel mich immer wieder tiefe Traurigkeit.

Die ganze Woche über schufteten wir wie die Berserker. Sonnenschein jeden Tag. Die letzten Schneeflecke oben an den Berghängen schmolzen dahin. Ich arbeitete mit nacktem Oberkörper. Eines Mittags sagte ich zu meinem Arbeitskollegen Schwarz: „Verdammt, bei mir ist eine Plombe locker”. Ungerührt antwortete er: „Macht doch nichts, Euch Sozialdemokraten haun sie in Deutschland doch sowieso die Fresse ein.”

Du kannst mir leid tun, dachte ich. Immer noch im Geiste wo anders. In Deutschland wird es nicht mehr so sein wie bisher. Das Land wird wieder zur Blüte kommen, auf einer anderen Grundlage, unter einer anderen Idee. Vermutlich hat Schwarz sich darüber geärgert, dass ich anstelle der weißen Armbinde mit dem Buchstaben „N” (Nemec) eine schmale rote Armbinde mit der Aufschrift „Unter dem Schutz der tschechischen Sozialdemokratie” trug.

Donnerstag, 4. April 1946

Heute soll Christls Transport abfahren. Noch einmal habe ich sie im Lager besucht. Drei Minuten bekamen wir. Worüber wir sprachen, weiß ich nicht mehr. Ich sah, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Nachher ging ich zu Papa. Er wohnte in einem Haus direkt an der Straße von Jungbuch nach Trübenwasser. Ich beobachtete, wie das Gepäck zum Bahnhof Trübenwasser gefahren wurde. Nachmittag um vier Uhr zogen die 1200 Menschen des Transports vorbei. Ich wartete am Straßenrand auf Christl. Die Familie Pohl aus Bausnitz sah ich vorübergehen, sie winkte mir zu. Dann kam Waggon Nr. 21.

Ich stehe jetzt auf der rechten Straßenseite und kann Christl die Hand geben. Ich sehe keine traurigen Gesichter. Die Menschen sind froh, in ein anderes Leben hinauszukommen. Ich gehe mit Christl neben dem langen Menschenzug bis zum Bahnhof Trübenwasser. Dann muss ich zurückbleiben. Meine Augen folgen ihr, bis die Kolonne zur Verladerampe einbiegt. Wann werden wir uns wiedersehen?

Abends warten wir in Adamstal oben am Berg beim Ausgang des Tunnels auf den Zug. Es ist sieben Uhr abends. Wir warten – warten – warten. Es wird dunkel. Wir zünden Fackeln an. Schon acht Uhr vorbei. Neun wird es. Ab acht Uhr müssten wir wegen der Sperrstunde für Deutsche eigentlich schon zu Hause sein. Ein Tscheche kommt und leuchtet jedem von uns ins Gesicht. Dann geht er wieder. Vielleicht holt er die Polizei. Es ist doch gefährlich, wenn junge Deutsche so spät oben beim Tunnel sind, um Ausgesiedelten zuzuwinken. Es ist kühl. Wir frieren. Langsam geht es gegen zehn Uhr. Heute wird der Zug wohl nicht mehr kommen. Wir gehen runter in die Häuser. Als wir unten sind ruft einer „Der Zug kommt!” Alle rasen den Berg hinauf. Atemlos kommen wir oben an, warten, warten – nichts.

Wir gehen. Als ich zu Hause den Löffel mit der Abendsuppe zum Mund führe höre ich es rumpeln. „Der Transport!” ruft Margit. Steif sitze ich am Tisch. Rühre mich nicht und laufe dann zum Kammerfenster. Ein Zug rollte durch die Nacht – dumpf rattern die Räder durch die Stille – lange, lange. Ich beiße die Zähne zusammen. Ein stummer Gruß fliegt hinauf. Auf Wiedersehen Christl, alles Gute. Margit kommt zurück – sie war schnell hinaufgelaufen. „Christl hat gerufen”, sagt sie und weint. Auch Mutter fängt an zu weinen. Ich lasse das Essen stehen und lege mich schlafen.

Samstag, 6. April 1946

Ich muss wieder Kartoffeln organisieren gehen. Sie sind unser Hauptessen. In Rognitz gehe ich von einem Bauernhof zum anderen. An der elften Tür habe ich endlich Glück. Es sind Deutsche, die Frau ist eine Tschechin. Ich bekomme auch Mehl und Quark. Als ich zahlen will bekomme ich zur Antwort: „Lassen sie nur; wir wollen nur ein ‘Bezahls Gott’.” Es gibt noch gute Menschen. Am Nachmittag soll ich Feldwege repararieren gehen, tu’s aber nicht. Ich säge Holz mit Margit. Wo wird Christl jetzt schon sein?

Sonntag, 7. April 1946

Heute müssen alle auf die Feldwege gehen. Wir zerreißen uns nicht. Schon um 11 Uhr machen wir Schluss. Am Nachmittag nimmt mich Lois mit in die Kirche nach Markausch. Ich höre nur die Musik.Am Donnerstag kommt ein Brief von Christl. Er ist noch aus dem Sammellager. Elf Tage brauchte er bis zu mir. Als ich den Umschlag betrachte sehe ich, dass er zensiert worden ist.

Papa ist entlassen. Freitag finde ich ihn noch im Büro. Er gibt mir einen Brief von Christl. Wir haben für diese Woche noch keine T 4 – Karte bekommen. Eine Lumperei. Schwarz will auf der Baustelle eine Meuterei anzetteln. Montagfrüh bekommen wir endlich die Karten, mit denen wir zusätzlich etwas kaufen können. Höchste Zeit.

Wieder geht ein Woche an. Wieder bin ich jeden Abend wie zerschlagen. Tagsüber scheint die Sonne. Es ist viel zu warm für April. Am Wochenende war ich in Trautenau im Kino. Der Film hieß: „Já níc – já muzikant” (Bin nichts, bin nur ein Musikant). Ich hoffte, Musik zu hören, die mir so sehr fehlt. Ein englischer Film mit tschechischen Untertiteln. Der Ton war so schlecht, dass ich die englischen Worte kaum verstand und die Untertitel waren so klein und wechselten so schnell, dass ich sie kaum lesen konnte. Bis auf einen billigen Schlager, den ein englischer Komiker etliche Male sang, war keine Musik zu hören. Die Handlung war kitschig; ich war enttäuscht.

Nach dem Kino ging ich noch einmal den Weg zur Widmut hinaus. Ich sah Christl neben mir und hörte ihre Stimme. Fast drei Wochen sind seither vergangen, mir kommt es wie eine Ewigkeit vor.

Der Fünf-Uhr-Zug fuhr mir in Trautenau vor der Nase davon. Ich nahm den Schatzlarer bis Parschnitz und ging über das Ziegengestein nach Hause. Wunderschön war der Abend. Im Wald war es so still, so feierlich. Hier war Gott, in der Natur, nicht in den hohen kalten Kirchenmauern, hinter steinernen Kruzifixen und schlecht gemalten Madonnenbildern. Warum hält man Gottesdienste nicht im Walde ab? Die Orgel würde hier genau so feierlich und festlich klingen. Da wären die Menschen Gott wirklich nahe und würden innigere Gebete finden, als in der Kirche, Gebete, die ihrem eigenen Gewissen entspringen, die nicht in verstaubten Gebetbüchern stehen, noch dazu manchmal auf Lateinisch, das der einfache Mensch sowieso nicht versteht.

Würden sich die Menschen doch einmal losreißen von dem alten, längst überholten Glauben, würde doch jeder der Stimme seines Gewissens folgen, die jeder so oft ganz deutlich in seinem Innern rufen hört. Was sind die zehn Gebote Gottes? Dogmen, aufgestellt von Priestern und Pfaffen, Leitssätze, denen Menschen niemals folgen können, unsinnige Regeln und Sprüche. Du sollst deine Feinde lieben – wer kann das denn? Einen Menschen lieben, der einem vielleicht das Liebste genommen hat? Für ihn soll man Liebe empfinden? Nur ein Wahnsinniger kann auf diese Idee kommen. Der Mensch sollte nur das tun, was er vor seinem Gewissen verantworten kann; das Gewissen ist Gott.

Gott der Gerechte, der Gütige, der Allmächtige und Allwissende. Gott beschütze uns, schütze uns vor der Sünde, führe uns nicht in Versuchung. Gäbe es einen Gott, dann wäre er weder gerecht noch gütig, noch allmächtig, noch allwissend. Sonst dürfte es auf der Welt nicht so viel Ungerechtigkeit geben, dürfte nicht so viel Unrecht ungestraft bleiben. Die Pfaffen sagen, die Menschen seien schlecht und sündhaft, deshalb strafe Gott sie durch Kriege. Aber können denn Menschen in den friedlichen Jahren zwischen den Kriegen so viel sündigen, dass Gott zur Strafe einen Krieg schickt, in dem Millionen Menschen ihr Leben lassen müssen? Es gibt keine Sünde, die mit Millionen Toten als Sühne aufgewogen werden muss…

Gott schütze uns vor der Sünde – nie wird Gott einen Menschen vor der Sünde bewahren können, wenn der Mensch selbst nicht stark genug ist, der Sünde zu widerstehen, wenn er nicht stark genug ist, sich selbst zu besiegen. Stolz kann sein, wer sich selbst unterlegen ist.

Bin ich ein Ketzer, einen Gottesverleumder? Nein, ich sage ja nicht, die Menschen sollten ablassen von Gott. Nur von gewissen Vorurteilen, von widersinnigen Lehren und von der Gottesfurcht sollten sie sich befreien. Von der Furcht, Gott könnte sie strafen für irgendeine Sünde, sie sollten sich frei machen von der Furcht, etwas zu tun, das ihnen das Gewissen gebietet, das aber die Kirche verbietet.

Wenn ich mitunter zum Abend hin auf einem Berg stehe und die Heimat vor mir ausgebreitet sehe, wenn es allmählich dunkel wird und der erste Stern am Himmel aufblitzt, fängt mein Herz heftig an zu schlagen. Wer hat all dies geschaffen, wer lenkt das ganze Getriebe? Gott? Ich glaube, die Natur selbst ist es, die die Natur geschaffen hat. Die Natur ist Gott. Aus der Erde strömt die Kraft. Aus dem Leib unserer Mutter Erde. Die Natur, die große Allgewalt aus dem Weltenraum ist der Schöpfer. Ich will darüber aber nicht streiten.

Wer bin ich denn? Aufgewachsen bin ich zwischen einfachen Menschen, ich kenne das Leben in einer Arbeiterkolonie, kenne die elenden Löcher mit einem einzigen Fenster, durch das der Blick justament auf einen stinkenden, rauchenden Müllhaufen fällt. Ich kenne Wohnungen, in denen ein Fabrikarbeiter mit sieben bis acht Kindern leben musste, mit feuchten Ecken, in denen der Schwamm hochkroch.

Ich sehe die Gesichter meiner Spielkameraden vor mir, hohlwangig, mit großen Augen, kahl geschorenen Köpfen und dünnen Gliedern. Ich erinnere mich an die Scharlachepidemie im Jahr 1937, von der kein Kind verschont worden ist, auch ich nicht. Wer nicht Scharlach bekam hatte Diphterie. Ich kenne den Hass der Armen auf die Reichen. Als Kind empfand ich ihn als etwas ganz Natürliches.

Mein Vater, längst getrennt von der Familie, ließ mich nicht auf der Volksschule, sondern schickte mich zur Bürgerschule, wie die Mittelschule damals hieß, und schließlich auf die höhere Schule. Mir sollte es einmal besser gehen. Das sagen die Väter immer zu ihren Söhnen. Die Söhne werden erwachsen und vielen geht es wieder schlecht, und wieder sagen sie zu ihren Söhnen: lernt, damit es euch einmal besser geht.

Nun bin ich älter geworden und als ich aus dem Krieg heim kam, gab es für mich keine Schule mehr. Ich arbeite als Handlanger auf dem Bau. Dabei lernte ich die Arbeiter noch besser kennen und ich wage jetzt die Behauptung, dass es dem einfachen Arbeiter immer schlecht gehen wird. Er wird nie über seinen eigenen Horizont hinwegsehen lernen, wird nie weiter denken als an essen, trinken, rauchen und huren. Und auf seine Arbeitgeber wird er schimpfen, immer und ewig. Immer wird er murren und fluchen und doch nie den Mut finden, sein Recht zu verlangen. So wird er immer bleiben, der Proletarier, das Tragtier, der Maulesel. Getreten, geschunden und ausgebeutet. Und in hundert Jahren wird es genau solche Proletarier geben wie heute.

Und ist einer unter ihnen, der mehr Grips hat als die anderen, dann wird er versuchen, sich aus der geistesträgen Masse herauszuarbeiten. Er wird höher steigen und aufatmen, wenn er es geschafft hat. Dann schaut er hinab auf die anderen und sieht seine Kameraden mit ebenso schiefen Blicken an wie alle, die oben sitzen. Und die unten werden schelten und ihn einen Verräter nennen, der sich mit der Bourgoisie an einen Tisch setzt.

Es gibt allerdings Menschen, Idealisten, die den Mut haben, für die Arbeiter einzutreten, für sie zu sprechen und für ihre Rechte zu kämpfen. Doch sie werden untergehen wie alle Idealisten, die allein stehen, bekämpft von den Besitzenden und totgeschwiegen, und von den Arbeitern beschimpft und verlassen.

Was schreibe ich da alles zusammen! Wenn ich mit jemandem über all diese Dinge reden könnte, würde ich es sein lassen. So aber. Die paar Menschen um mich herum würden mich doch nicht verstehen und mich für einen Phantasten oder Träumer halten. So schreibe ich eben alles auf, was mir im Laufe des Tages in den Kopf kommt und worüber ich nachdenken muss. Es ist meine schönste Beschäftigung, seit Christl fort ist. Wüsste ich doch wo sie ist. Dann könnte ich den Wolken Grüße mitgeben. Sieben Monate haben wir uns gekannt, vom 4. September 1945 bis zum 4. April 1946. „Fühle Dich ganz frei und ungebunden”, schrieb sie in ihrem letzten Brief.

Ostern

Die Natur feiert Auferstehung. Nicht die Auferstehung vom Tode. Aus dem Tod gibt es kein Erwachen. Aus einem tiefen Schlaf der Erschöpfung erwacht die Natur. Die Saaten grünen. Wieder zieht der Bauer eine Furche neben die andere. Wie aufgefädelte Perlen glänzen die frisch aufgeworfenen Schollen in der Sonne. Tief versinken die Pferdehufe im lockeren Boden. Leise knirscht das Lederzeug und die Messingbeschläge des Geschirrs blitzen in der Sonne. An den Birken schimmern die ersten grünen Spitzen und ein Hauch von Grün liegt über den Kronen der Lärchen. Kraftvoll platzen die Blattknospen der Buchen. Ein Dehnen und Strecken geht durch die Natur. Alles reckt sich zum Licht. Auch die Menschen leben auf unter der wärmenden Sonne.

Der Winter ist vorüber. Nur aus der Ferne grüßen noch die schneebedeckten Kuppen des Riesengebirges. Bäche springen über Steine und Wurzeln und erzählen von der Reise durch dunkle Wälder und grünende Wiesen. Die Liebe zur Heimat erfasst mich mit unbändiger Kraft. Zugleich verspüre ich eine unendliche Sehnsucht nach der Ferne. Fernweh und Heimweh – beide können schmerzen.

Osterspaziergang ins Ziegengestein zusammen mit Lois. Von den Felsklippen ganz oben geht der Blick ganz weit über die friedliche Landschaft. Aus dem Tal grüßt die Aupa. Wie Teile einer Spielzeugschachtel liegen verstreut Häuser zwischen Wiesen und Bäumen .Zum Gebirge hinauf sehen wir. Der Hochriesenberg strahlt in silbernem Weiß und daneben erhebt die Schneekoppe, die „ale Kaake”, wie der Volksmund sie nennt, über alle Gipfel hinaus ihr würdiges Haupt. Heimat – teure Heimat. Dein Bild wird mich immer begleiten.

Am Nachmittag begleite ich Lois zum österlichen Hochamt in Markausch. Über eine steile Treppe steige ich hinauf in den Kirchturm und verweile neben der alten Uhr, deren gewaltiges Pendel bedächtig hin und her geht. Rasch eile ich dann nach unten zur Empore neben der Orgel. Ich soll den Blasebalg treten. Aber auch das will gelernt sein. Als der Organist in die Tasten greift, gibt die Orgel nur zitternde klagende Töne von sich und mir wird bedeutet, das Pedal rascher und fester zu treten. Schließlich braust die Orgel wie gewohnt durch das weihrauchgeschwängerte Innere der Kirche. Gläubigen Herzens schicken die Menschen ihre Gebete zum wieder auferstandenen Heiland. Hoffen auf Erlösung. Die Kirchenglocken läuten. Meine Gedanken wandern zurück.

Rückschau auf den Krieg

Ein Jahr ist es her, seit ich Ende April/Anfang Mai 1945 in Berlin als knapp 18Jähriger das Grauen des Krieges erlebte. Unbewaffnet wurde unser Funktrupp von der Kaserne in Stahnsdorf nach Tempelhof in Marsch gesetzt. In einem Keller des Flughafengebäudes bauten wir unser Funkgerät auf. Rauchwolken und Staub über den Dächern der Stadt. Glühendrot die Abendsonne am Himmel. Gespenstisches Zwielicht. Kichernd und heulend jagt der Tod durch die Häuserschluchten. Von überall her kommt er geflogen. Als Panzer der Roten Armee am Rande der Rollfeldes auftauchen packen wir unsere Gerätschaften zusammen und irren stundenlang ziellos durch U-Bahnschächte. Bei jeder Explosion über uns sinkt unser Truppführer, ein Unteroffizier, wie ein Häufchen Elend zu Boden. Seine Hände zittern. Am S-Bahnhof Potsdamer Platz legen wir eine Rast ein.

Oben ein wahnsinniger Totentanz. Dreck und Staub wirbeln über die Eingangstreppe herunter zu uns. Sinfonie des Todes. Ohrenbetäubender Lärm. Wahnsinniges Krachen. Bei jedem Einschlag zittert die Decke, Lampen fallen zu Boden. Apathisch hocken wir in einer Ecke. Niemand kümmert sich um uns. Seit Stunden vermissen wir unseren Truppführer. Er hat sich irgendwann verdrückt. Völlig fertig mit den Nerven. Unser Funkgerät ist ausgefallen. Irgendwo fangen ein paar Landser an zu singen. Das Lied, schon hundertmal gehört, treibt mir Tränen in die Augen. Einer von uns gibt keine Ruhe. „Lasst uns weiter nach unten gehen.” Mit Sack und Pack ziehen wir eine Etage tiefer in den U-Bahnhof. Dort steht ein Zug, der anscheinend als Stabsquartier dient. Offiziere sitzen drin mit ihren Damen, saufen und fressen. Die armen Landserschweine interessieren sie nicht.

Plötzlich eine gewaltige Explosion. Der Luftdruck zerreißt einem fast das Trommelfell. Eine Granate hat die Decke ein Stockwerk über uns durchschlagen und einen Stapel Panzerfäuste explodieren lassen. Irgendjemand jagt uns nach oben. Wir sollen zwischen den Toten nach Verletzten suchen. Die furchtbare Detonation ereignete sich genau dort, wo wir vor wenigen Minuten gehockt hatten. Es ist stockfinster. Mit Kerzen und Taschenlampen leuchten wir den Herumliegenden ins Gesicht. Hineingeschleudert von der Faust des Todes in Ecken und Winkel liegen sie da, mit zerfetztem Gesicht, verdrehten Gliedern, glasigen Augen, aufgerissenen Leibern. Wer noch zu leben scheint, den tragen wir nach unten. Entsetzen packt mich, als ich dabei in das Gesicht eines Soldaten blicken muss, unter desssen buschigem Schnurrbart statt Mund und Kinn nur ein Fetzen blutigen Fleisches zu sehen ist.

Erschöpft lege ich mich unten auf den Boden des Bahnsteigs und schlafe ein. Von gräßlichem Schreien werde ich wach. Ganz hell klingt es, wie eine Kinderstimme, aber vollkommen unwirklich. Ich blicke um mich, sehe links und rechts neben mir Soldaten liegen, denke zunächst, dass sie sich, so wie ich, zum Schlafen niedergelegt haben. Dann wird mir bewusst, dass alle tot sind. Man hat sie neben mir abgelegt, weil man mich für tot hielt. Panik erfasst mich. Ich fahre hoch. Noch immer hinter mir das entsetzliche Schreien. Ich drehe mich um, da liegt eine Arbeitsmaid in ihrer braunen Kluft. Ein Bein ist weg bis auf einen blutigen Stumpf. Aus ihrem Mund wimmert es, es wimmert immer weiter. Mir läuft es eiskalt über den Rücken. Ich renne weg. Durst plagt mich unvermittelt, wahnsinniger Durst. Nirgendwo gibt es Wasser. Jemand hält mir eine Flasche Wein hin. Ich trinke sie zur Hälfte aus. Fühle mich bald leichter, torkle los und suche meine Kameraden. Jemand gibt die Parole aus: Weiter zum Nollendorfplatz. Unser Funkgerät samt defekter Batterie wird in ein Auto gepackt. Für uns ist kein Platz mehr. Zu Fuß schlagen wir uns durch. Am Nollendorfplatz warten wir vergeblich auf unser Gerät. Jemand erzählt uns, das Auto habe einen Volltreffer bekommen.

(Einfügung. Hier endet in meinem Tagebuch die Rückschau auf die Kämpfe in Berlin. Wie ich aus der umzingelten Stadt herauskam, durfte ich damals nicht preisgeben. Ich war in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten, konnte nach drei Tagen fliehen und machte mich zu Fuß auf den Weg in die Heimat. Eine Geschichte für sich. Mein Vater hatte mir geraten, sie niemandem zu erzählen. Er fürchtete, die Tschechen könnten mich an die Sowjetunion ausliefern.)

Bilder der Heimat

In Marschendorf III. Teil sind wir fertig mit dem Schottermachen.Die Maschine wird abgebaut und mit einem Pferdefuhrwerk nach Marschendorf IV. Teil gebracht. Dort arbeiten wir direkt unterhalb der Maxhütte. Breit und massig steht sie oben auf dem Bergkamm. Klein und unscheinbar daneben das Dach der alten Schutzhütte. Wann war ich zum letzten Mal dort oben? Sechs Jahre ist es her. Eine lange Zeit, damals war ich noch ein Kind.

Über dem Gebirge wird der Himmel schwarz. Ein Gewitter zieht auf… Die ersten Blitze zucken. Gewaltig dröhnt das Echo des Donners von den Hängen wider. Hinter der Maxhütte steigt Rauch auf. Auf der anderen Seite des Rehorns muss es eingeschlagen haben. Träge wälzt sich der Qualm den Berg herunter. Zerfetztes Gewölk jagt durch den Himmel. Graupeln schlagen wie Gewehrkugeln durch das junge Laub. Auf allen Wegen rinnt Wasser daher, ganze Bäche kommen geflossen. Nicht lange, dann hört der Regen auf, es wird still.

Von den Bäumen fallen glitzernde Tropfen. Nach einer Weile öffnet der Löwenzahn wieder seine Blüten. Es ist wie ein Aufatmen. Schon schaut die Sonne neugierig durch Wolkenlücken zur Erde. Ja, sie ist noch da deine Erde. Nichts ist ihr geschehen. Nun singt auch schon wieder ein Vogel.

Während der Arbeit am Schotterbrecher eines Tages plötzlich wildes Geknatter. Ich drehe mich um und sehe, wie aus der Motorverschalung Bretter herausfliegen Ein schwarzes Stück Riemen schwirrt durch die Luft. Mein erster Gedanke – der Motor ist explodiert. Dabei hat es nur den Treibriemen zerfetzt. Für eine Weile haben wir jedenfalls Ruhe. Svaton legt einen neuen Riemen auf, aber er passt nicht. Gegen Mittag bekommen wir von der banachbarten Firma Eichmann einen neuen. Am Nachmittag kommt eine Betonmischmaschine. Die Arbeit am neuen Kanal für das Kraftwerk soll nächste Woche beginnen. Zimmerleute hämmern schon an der Schalung.

* * * 

Es ist endgültig Frühling geworden. Der Flieder blüht und verströmt seinen berauschenden Duft. Langsam setzt der Schneeball seine prächtigen Blüten an. Die Luft ist erfüllt vom Gezwitscher der Vögel. Schon in der Früh ist der schallende Ruf des Kuckucks zu hören. Schnell kommt der Tag. Eine helle Röte überzieht den östlichen Himmel. Jetzt ließe sich wandern.

Tagsüber strahlende Sonne. Kleine Wölkchen segeln durch den blauen Himmel. Wenn sie unter der Sonne vorbeiziehen, huschen ihre Schatten wie große Käfer über das Land. Abends stehen rot glühende Wolkenstreifen über den Bergen im Westen. Aus dem Tal steigt langsam der Schatten die Hänge hinauf. Schnell rollt die Sonne hinter den Berg. Lärmend ziehen Rauchschwalben ihre Kreise durch die Dämmerung. Plötzlich leuchtet der Abendstern. Nach einer Weile versinkt auch er hinter dem Horizont.

Orangefarben schiebt sich auf der anderen Seite der Mond aus den Bäumen. Wie groß er ist! Schnell ändert er sein Aussehen, wird immer heller und kleiner. Schweigend steht ein unendlicher Sternenhimmel über dem Land. Eine Fledermaus geht lautlos auf Jagd. Klagend ruft ein Käuzchen vom Berg.

Ein neuer Tag. Ich gehe durch den Wald. An feuchten Wegrändern wachsen Maiglöckchen. Ich beuge mich nieder, süßer Duft strömt mir entgegen, gut genug für die prächtigste Rose. Du kleines Maiglöckchen, warum bist du so blass? An saftigen Waldwiesen vorbei führt mein Weg mich. Über einer Lichtung mit Himbeersträuchern steht flimmernd die Luft. Schmetterlinge gaukeln von Blüte zu Blüte. Oben an einer morschen Buche hämmert ein Specht. Späne fliegen um seinen Kopf. Zu meinen Füßen kriechen glänzende Käfer ins Heidelbeergesträuch. Träge sonnt sich eine Eidechse auf einem flachen Stein. Am Waldrand blühen die ersten Heckenrosen. An zarten Fallschirmen schweben Samenkörner des Löwenzahns durch die Luft.

Männer vom Bau

Ob meine Aufzeichnungen einen Sinn haben? Vielleicht erzähle ich zu wenig von meinem Tagesablauf. Aber das bloße Registrieren des Tagesgeschehens kann rasch langweilig wirken. Vom Schotterbrecher bin ich weg; arbeite jetzt für drei tschechische Maurer als Handlanger. Sie erneuern den Außenanstrich der Etrich-Fabrik in Jungbuch. Die Arbeit ist nicht so schwer wie am Schotterbrecher. Auch der alte Efler ist da. Zuttel hat sich den Spitzbart abnehmen lassen. Komisch kommt er mir vor. Seine Wangen sind eingefallen und sein Gang ist noch schleppender geworden.

Unser Vorarbeiter heißt Petrasek. Ein kleiner dicker Kerl mit gutmütigem Gesicht. Mit ihm läßt sich auskommen. Er redet gern. Deshalb weiß ich, dass er dem weiblichen Geschlecht nicht abhold ist. Nach seinen Worten können es die deutschen Frauen besser als die tschechischen. Ohne ein Scherzwort kommt keine Frau an ihm vorbei.

Und dann ist da der schwarze Petr. So wie Petrasek ist auch er Kommunist. Groß und kräftig von Gestalt ist er das Gegenstück zum kugeligen Petrasek. Er stammt aus der Slowakei. Dort hat er 1945 als Partisan gegen die deutschen Truppen gekämpft. Am liebsten würde er noch einmal sein „kulomet” nehmen und in die Bourgoisie „hineinflecken”. (Kulomet heißt wörtlich übersetzt Kugelspritze, gemeint ist damit das Maschiengewehr.) Den schwarzen Petr nennen wir ihnen wegen seiner schwarzen Haare und seines starken Bartwuchses, dem auch das schärfste Rasiermesser nicht beikam. Gern redet er über Politik. Einen Krieg zwischen Ost und West möchte er nicht überleben. Bei seinen Vorträgen rollt er wild seine schwarzen Augen und spuckt zur Bekräftigung in die Hände.

Der dritte Tscheche ist klein und schmächtig. In seinem schmalen Gesicht stehen zwei seltsam graue Augen. Er heißt Postupa. Immer spricht er leise und undeutlich. Oft muss ich nachfragen, was er gemeint hat. Stundenlang hält er eine ausgelöschte Zigarette im Mund.

Der alte Brauer ist der dritte deutsche Handlanger. Die Woche über schläft er in unserer Baubude, da alle Verwandten bereits ausgesiedelt wurden. Samstag und Sonntag geht er nach Ober-Altstadt, wo er bei einer 8ojährigen Frau in Logis ist. Ein einfacher Mann vom Lande, still und verschwiegen. Wenn man längere Zeit in seiner Nähe ist, erzählt er von seinen Kindern. Dabei zwinkert er mit den Augen und greift immer wieder an seinen durchlöcherten schwarzen Filzhut, um ihn von hinten nach vorn und von vorne nach hinten zu schieben. Traurig hängt sein grauer Schnurrbart über einem fast zahnlosen Mund.

Vom alten Efler habe ich schon eine Menge erzählt. Er möchte wieder nach Spanien. Dort hat er nach seiner Schilderung mehr Fleisch als Brot gegessen. Davon träumt er. Als er auf einer Brotkruste kaute, hörte ich ihn was von wackligen Zähnen murmeln. Ich sagte zu ihm, für sein Alter habe er noch verhältnismäßig viel Zähne. Er wehrte ab. Früher hätte ich ihn sehen sollen, als er noch spielend Drahtnägel zerbiß und Biergläser zerkaute. „Ohrfeigen verdiene ich für solche Bravourstückchen.”

Auch in Jungbuch arbeiten wir im Akkord. Zwei Wochen lang mussten wir auf die richtige Farbe warten und vom Lagerplatz bekamen wir angefaulte Gerüstpfosten. Als Petr so eine schlechte Bohle zu Postupa aufs Gerüst schob sagte der: „Dej to pric”, nimm das weg, der Dreck ist nichts wert. Darauf Petr: „Hab keine Angst, du bist ja keine Stecknadel, wir würden dich schon finden, wenn du herunterfällst.”

Auf dem Kalkberg

Ich bin zum Kalkberg hinauf gegangen. Vom Haus weg führt der Weg erst durch Wiesen und dann über die alte Holzbrücke. Sie hängt schon etwas schief über der Aupa. Am Wald entlang geht ein Fußweg durch eine sumpfige Wiese. Am Hang zur Linken sickert Wasser aus dem Berg und bildet einen Tümpel, an dessen Rändern Brunnenkresse wächst. Nie sind wir als Kinder hier vorbeigegangen, ohne einige der bitter-herben Blätter zu zerkauen. Durch einen Fichtenwald geht es langsam bergan. Dämmerlicht herrscht unter den dichten Baumwipfeln. Während der Sommerferien gab es hier immer Maronen.

Der Boden aus Fichtennadeln ist weich. Ab und zu knackt ein Zweig unter den Schuhen. In das Halbdunkel schießt die Sonne flirrende Lichtpfeile. Unbeweglich steht eine Stechwespe in einem solchen Sonnenband. Schmaler wird nun der Weg. Durch eine Schonung führt er steil nach oben. Dann fällt der Blick unvermittelt auf eine Wiese, die sich über einen großen Hang nach oben erstreckt. Vor Jahren war hier eine Futterstelle für Fasane. Der kleine Holzverschlag diente uns im Winter als Sprungschanze.

Oben auf der Höhe ist mein Lieblingsplatz. Ein paar Birken stehen da und das Gestrüpp verkrüppelter Buchen. In den Heidelbeersträuschern hängen schon Beeren. Bis sie blau sind, wird es noch eine Weile dauern. Ich setze mich in das raschelnde Laub des Vorjahres und lehne meinen Kopf an die runzlige Rinde einer Birke. Was für ein Ausblick! Rechts unten das breite Tal der Aupa. Von Bäumen gesäumt schlängelt die Straße sich an den Bergen entlang. Das Knattern eines Motorrades zerschneidet die Stille. Vom jenseitigen Hang her leuchten zwischen Büschen und Bäumen rote Hausdächer. Hell blitzt ein Fenster in der Sonne. Wie eine Spielzeugbahn fährt auf der anderen Seite des Tales ein Personenzug. Die Lokomotive zieht weißen Dampf hinter sich her. Die Sonne rutscht immer tiefer und die Schatten der Bäume entlang der Straße fließen ineinander zu einem einzigen dunklen Band.

* * *

Ein Transport nach dem anderen verlässt Trübenwasser. Jedesmal müssen 1200 Menschen fort aus der angestammten Heimat, die ihnen fremd geworden ist. Viele sehnen sich deshalb regelrecht danach, hinaus zu kommen unter ihresgleichen. Heute früh geht wieder ein Transport. Bis hinunter zur Sprachgrenze stehen Verwandte und Freunde mit weißen Tüchern an der Strecke, um den Ausgesiedelten noch einmal zuzuwinken. Als mein Zug, mit dem ich zur Arbeit fahre, in den Bahnhof von Trübenwasser einläuft, steht der Transport abfahrtbereit auf dem Rangiergleis. Zum ersten Mal ist amerikanische Militärbewachung dabei. Aus den kleinen Fenstern der Güterwagen stecken viele die Köpfe heraus. 40 Waggons, in jedem 30 Personen mit ihrem Gepäck. Aus dem vorletzten Waggon winken mir Fichtner Kurt und sein Vater zu. Sie haben es geschafft. In wenigen Minuten beginnt ihre Fahrt in ein freieres Leben.

25. Mai 1946

Morgen finden Parlamentswahlen statt. Die Kommunisten glauben, den Sieg schon in der Tasche zu haben. Ihre Propaganda ist stark, besonders bei uns im Grenzgebiet. Überall sieht man ihre großen Einser. Die Volkspartei hat die Nummer 2, die Sozialdemokraten die 3 und die nationalen Sozialisten die Nummer 4. Die Zeitungen spekulieren über einem eventuellen Zusammenschluss der Volkspartei und der nationalen Sozialisten. Es wäre denkbar. Da würden sich die Besitzenden und die Kirche verbünden. Vereinzelt hört man auch von der Möglichkeit einer Vereinigung der Einser und der Dreier.

Bei uns sieht man alle vier Nummern gleich oft. Im Landesinneren sollen die Plakate der Sozialdemokraten und der „Lidovci”, also der Volkspartei, überwiegen. Gestern sagte mir ein tschechischer Kommunist, in ihren Reihen werde mit einer Regierungsübernahme durch Gottwald gerechnet. Zugleich sang er ein Loblied auf den bürgerlichen Präsidenten Edvard Benesch; mit ihm könne kein Staatsmann der Welt sich vergleichen.

Wozu die ganze Propaganda? Sie kann doch nur willensschwache Menschen beeinflussen. Ich denke, man sollte das Volk nicht kurz vor den Wahlen durch Worte zu überzeugen versuchen, sondern ständig überzeugende Arbeit leisten.

Seit ich die letzten Zeilen geschrieben habe, sind 24 Tage vergangenen. Alles ist wieder ruhig. Die Kommunisten haben die meisten Stimmen bekommen, die Sozialdemokraten die wenigsten. Traurig hängen zerfetzte Wahlplakate an Zäunen und Wänden, Wurfzettel liegen verschmutzt in Rinnsteinen und Straßengräben. Achtlos gehen die Menschen vorbei. Die grellen Bilder und Schriften haben ausgedient.

Das Leben geht weiter Inzwischen ist der Juni gekommen. Pfingsten. Um mich herum immer dieselben Bilder, wie auf einem Ringelspiel. Nach fünf grauen trostlosen Tagen zwei hellere, die eine große Leere atmen. Wieder treibt es mich in den Wald. An einem Teich setze ich mich nieder und horche in die Stille. Leichter Wind schiebt vertrocknete Blätter und Fichtennadeln über das Wasser. Vom schwarzen Boden her leuchten weiße Steine. Tote Birkenäste liegen wie silberne Schlagen dazwischen. Eine Wasserspinne läuft über das Wasser und lässt zitternde Ringe ans Ufer wandern. Fichten senken ihre Zweige hinab, als wollten sie den Spiegel wieder glätten und blank putzen für den bleichen Mond am fernen Himmel. Dieses Bild vor Augen schrieb ich das

Märchen von den zwei Libellen

Es beginnt, wie alle Märchen beginnen.

Es waren einmal zwei Menschenkinder, die hatten einander sehr lieb. Wenn abends die Sonne hinter die Berge gerollt war und sie ihre Arbeit getan hatten, trafen sie sich an einer großen Buche am Waldsaum. Von hier aus spazierten sie auf einem schmalen Weg tief hinein in den Forst, bis zu einem kleinen See, der so schwarz war, dass niemand bis auf den Grund sehen konnte. „Blickt der See nicht wie ein großes Auge gegen den Himmel?” sagte Karli zu Rina. Das Mädchen nickte. Von da an nannten sie den See „Himmelsauge”.

Eines Tages tauchte im Dorf ein fremdes Mädchen mit pechschwarzem Haar auf. Seine Augen waren so dunkel und unergründlich wie der See im Wald. Wenn Karli dem Mädchen über den Weg lief, lachte es laut uns sah ihn verführerisch an. Eines Abends wartete Rina vergeblich bei der Buche am Waldrand. Weinend lief sie fort und klagte dem „Himmelsauge” ihr Leid.

Sie war jetzt allein auf der Welt. „Leb’ wohl, Karli”, sagte sie leise. Dann sprang sie ins Wasser und versank. Stumm standen die Bäume am Ufer. Tagelang suchten Männer mit langen Stangen den See ab, Rina blieb verschwunden.

Auch das fremde Mädchen mit den schwarzen Augen wurde nie mehr gesehen. Bald hatte Karli die Fremde vergessen. Immer öfter dachte er an Rina. Häufig saß er abends am Ufer des Waldsees. Eines Tages entdeckte er eine blaue Libelle. Sie schwirrte hierhin und dorthin und ab und zu berührten ihr schillernden Flügel das Wasser.

Wie von unsichtbarer Hand geleitet stieg der Junge ins Wasser, ging weiter und weiter, bis die Wellen über ihm zusammenschlugen. Oben flüsterte die Libelle: „Jetzt kommt Karli zu mir”. Von da an sah man gelegentlich zwei blaue Libellen übers Wasser dahintanzen.

* * *

14. Juni 1946

Ich weiß nicht so recht, was mich heute zum Schreiben drängt. Mein Herz macht ab und zu ohne ersichtlichen Grund ein paar heftige Schläge. Ich verspüre eine große Sehnsucht in mir, möchte etwas Schönes erleben oder sehen. Nur wer so wie ich als junger Mensch die Einsamkeit geliebt hat, wer den Wald auf der Suche nach etwas Unbestimmtem durchstreift hat, wem das Herz überquoll, wenn der Himmel im Abendrot erglühte – wer so empfunden hat, wird mich vielleicht verstehen. Was tagsüber in mir schlummert wird wach und erdrückt mich fast, wenn die Abenddämmerung hereinbricht.

* * *

In großem Schweigen zog die Nacht / von Osten her ins weite Land / und hat es gütig überdacht / mit ihrer weichen dunklen Hand. – Ganz ruhig wurd’ es auf einmal, / nur ein paar Grillen zirpten noch / den Abendgruß ins dunkle Tal / aus dem der Schatten bergwärts kroch. – Dann wird es leis’, das Grillenlied. / Der erste Stern wirft seinen Schein. / Die Erde ist des Tages müd’ / und schlummert selbst jetzt langsam ein.

* * *

Regen peitscht an die Fnster und graue Wolken jagen über die Berge. Zornig heult der Wind um das Haus und zerrt an den triefnassen Ästen der Bäume. Traurig lassen verwelkte Fliedertrauben ihre Köpfe hängen und die jungen Getreidehalme wogen auf und nieder wie Wellen im Sturm. Kalt ist es geworden, fast wie im Spätherbst. Wo sind die glühenden Mai-Sonnentage? Dahin und vorbei, als hätte es sie nie gegeben. Wie eine launische Frau ist die Natur. Mal heiter und freundlich und plötzlich verdüstert eine Unmutswolke Stirn und Gesicht. Ich hoffe auf Sommerleuchten und blühende Wiesen. Aber noch rinnt der Regen an den Fenstern herunter und der Wind jault weiter ums Haus.

7. Juli 1946

Fast einen Monat lang habe nicht mehr geschrieben. Nun will ich endlich von meinem Freund sprechen, den wir Lois nannten. Ihn habe ich als einzigen aus dem Kreis der Jugendfreunde nach dem Krieg in der Heimat angetroffen. Auch er war Soldat und hatte das Glück, den Krieg unversehrt zu überleben. Das traurige Schicksal unserer Heimat, die uns nicht mehr gehörte, berührte ihn genau so tief wie mich. Lange saßen wir an freien Wochenenden beisammen und erzählten uns Geschichten aus der Schulzeit oder von herrlichen Pfingstfahrten, wahre Begebenheiten, die uns jetzt wie Märchen vorkamen. Mitunter kann ein Freund einem Menschen mehr geben, als eine Freundin je zu geben vermöchte. Eine Frau verwechselt Freundschaft schnell mit Leidenschaft. Einen solchen Freund zu verlieren tut weh.

Aber heute tritt nun auch Lois die große Reise an. Am Nachmittag, wenn der Transport in der Nähe vorbeirollt, wollen wir ihm noch einmal zuwinken.

10. Juli 1946

Vor drei Tagen standen wir bei Groß-Schwadowitz, wo es hineingeht ins Innere Böhmens, an der Eisenbahnstrecke und warteten. Um zwei Uhr sollte der Transport in Trübenwasser abfahren. Gegen dreiviertel Vier hörten wir dumpfes Rollen. Dann war der Zug da. Weit lehnte sich Lois lehnte aus dem kleinen Fenster des Güterwaggons. Ein Ruf flog auf und zerstob im Rattern der Räder. Wortlos standen wir da und sahen der Rauchwolke nach, die allmählich zwischen den Hügeln verschwand. Julchen, die Freundin von Lois, und Martl ihre Schwester, liessen ihren Tränen freien Lauf. Ich musste die Zähne zusammenbeißen. Nach einer Weile begann es zu regnen. „Der Himmel weint auch”, sagte Julchen.

Gestern fand man im Dorf einen Brief von Lois. Er hatte ihn am Sonntag aus dem Zug geworfen. Noch am selben Abend brachte ich ihn nach Alt-Sedlowitz zu Julchen.

Eine Woche lang stand das kleine Haus, in dem Lois mit seinen Eltern und seiner Tante gewohnt hatte, leer. Die Tür war mit einem braunen Papierstreifen versiegelt. Seit einigen Tagen wohnen Tschechen in dem Haus. Im Vorbeigehen sah ich, wie eine fremde Frau mit den gelben Kannen, die ich so oft in den Händen von Lois gesehen habe, Wasser vom Brunnen holte. Bitternis und Traurigkeit trieben mich fort.

22. Juli 1946

Nennt man das Leben, wenn man nur lebt, um zu leben? Wenn es nur Arbeit gibt und Schlaf und Essen. Sonst nichts? Gehören nicht auch Freude und Entspannung dazu?

Seit Monaten lebe ich wie ein Tier, und auch das nur mit Einschränkung; Tiere leben in der Regel in Freiheit. Mir und meinesgleichen ist sie genommen. Soll ich abstumpfen und gleichgültig werden, tierisch vielleicht? Das will ich nicht. Ich will nicht auf jene sehen, denen es besser geht, sondern auf die anderen, denen es noch schlechter geht. Auch sie leben schließlich, und manchmal höre ich sie lachen.

30. Juli 1946

Nun habe ich auch meine letzten Freunde verloren, Julchen und Martl. Die beiden Schwestern haben mir nach der Abreise von Lois über bange Stunden hinweggeholfen. Sie waren die einzigen, denen ich aus diesen Blättern vorgelesen habe. Nur schwer hätte ich andächtigere Zuhörerinnen finden können, als sie es gewesen sind. Wenn wir abends vor der Tür ihres Elternhauses in Sedlowitz saßen, von dem aus der Blick weit hinein ging ins böhmische Land, führten wir endlose Gespräche über alles, was uns bewegte. Auch das ist jetzt vorbei.

Manchmal berührt es mich seltsam, dass ich als Letzter zurückgeblieben bin und den bitteren Kelch bis zur Neige austrinken muss. Ich spüre, dass ein wichtiger Abschnitt meines Lebens zu Ende geht.

Obwohl es mich zu denen zieht, die vor mir gehen mussten, obwohl ich weiß, dass nun auch ich bald gehen m u s s und ich mich damit abgefunden habe, treibt mir der furchtbare Gedanke Tränen in die Augen.

Wie ein kostbares Geschenk erlebe ich die letzten Sommertage in der Heimat. Hätte Gott mir doch wenigstens e i n e n Menschen für einen gemeinsamen Abschied gelassen. So werde ich allein noch einmal die vertrauten Wege im Wald und am Fluss abschreiten, um mich von der Heimat zu verabschieden. Für immer? Ja, für immer. Und sollte mein Weg mich nach Jahren vielleicht noch einmal hierher führen, dann werde ich nur zu Besuch sein; daheim sein werde ich hier nie mehr.

Niemehr will ich in einem Sprachgrenzgebiet leben. Hier entlädt sich am stärksten der nationalistische Haß. Dennoch lieben gerade die Bewohner eines Grenzlandes ihre Heimat vielleicht mehr als andere. Die Menschen im Sudetenland wissen, was in Deutschland auf sie wartet, aber die meisten gehen gern weil sie hoffen, nicht mehr als minderwertig zu gelten.

Erinnerung an die Freunde

Jetzt will ich noch einmal derer gedenken, die meine Jugendgefährten waren, mit denen ich die Wälder durchstreift habe, die mit mir auf Wanderungen gesungen oder neben mir auf der Schulbank gesessen haben.

Ossi, Helmut, Lois, Siegfried, Edwin und Herbert! An euch denke ich jetzt, während ich mich darauf vorbereite, die Heimat für immer zu verlassen. Wo seid ihr?

Ossi, Du warst bei Kassel. Lebst Du noch oder bist Du unter den Millionen, die schon der Rasen deckt?

Helmut, wo bist Du? In Gefangenschaft, ich weiß. Aber wo? Bist Du schon jenseits des Ozeans, in der Neuen Welt? Du antwortest nicht.

Lois, Du gingst vor kurzem, vor wenigen Wochen. Wo magst Du wohl sein? Dich weiß ich am Leben, denn der Krieg ist vorbei.

Siegfried, du liegst in Estland, ich weiß. Bevor Du gingst, meintest Du: Ich bleibe draußen. Du hast es geahnt.

Edwin, Du liegst in Warschau, ich weiß. Durch den Kopf ging Dir die Kugel, und Deine Jungenlocken färbten sich dunkel vom Blut. Weißt Du noch damals am Hochwiesenberg? Ich vergesse Dich nicht.

Herbert, wo bist Du? Eines weiß ich – Du lebst. Du bist schon drüben in Deutschland. Ich grüße Dich. Auch ich komme hinüber – dann werden wir erzählen – von früher.

3. August 1946

Gestern hat mich der tschechische Polier aus der Baubude gejagt, obwohl ich nur um einen Zettel zum Arztbesuch gebeten hatte. Die Bude war voller Arbeiter, auch Baumeister Matous war da. Vor all den Leuten schnauzte er mich an: „Raus, schau’n Sie, dass Sie verschwinden.” Es war demütigend.

Seit einer Woche arbeite ich in Marschendorf beim Kanalbau, wieder im Akkord, und wieder mit denselben Leuten wie in Jungbuch. Als Handlanger habe ich zwei Maurer zu „bedienen”, die an der Innenwand des Kanalbettes arbeiten Säcke mit Zement müssen herangeschafft werden. Jeder Sack wiegt 5o Kilo. Oft zittern mir die Hände, wenn ich zu Hause den Füller auspacke und zu schreiben beginne.

„Schreibe, wenn Du Dich allein fühlst und wenn Dir weh ums Herz ist”, forderte mein Vater mich irgendwann auf. „Schreib’ alles auf, was Dich bewegt, was Du siehst und erlebst.” Ja, ja, manchmal ist Schreiben ein Trost, aber mancher wird vielleicht schmunzeln und mich einen Träumer nennen, wenn er meine Aufzeichnungen liest. Schöner wäre es, wenn ich einem Freund alles erzählen könnte. Aber ich habe nur das geduldige Papier.

Wieder einmal fühle ich mich elend. Wenn ich nur wüsste, was mit meinem Magen los ist. Schon seit dem Winter quält er mich.

Wie oft schon habe ich an diesem Tisch gesessen und zum Fenster hinausgesehen! Da draußen ist alles ist gleichgeblieben bis auf den heutigen Tag, die Fabrik, der Wald, die Berge, die Bäume an der Straße. Nur die Menschen sind gegangen. Ich kann es kaum fassen, dass Christl schon ein halbes Jahr fort ist, dass schon Frühling war und Sommer. Dass auf den Feldern schon die ersten Getreidepuppen stehen, dass die Blätter die ersten dunklen Flecke zeigen? Nicht mehr lange, dann werden alle Felder kahl sein und die Buchen werden als gelbe Punkte aus dem Dunkel des Nadelwaldes leuchten. Aber noch ist es nicht so weit. Noch knarren auf den Feldwegen die Erntewagen unter ihrer goldenen Last.

Vor Jahren – kalt pfiff der feuchte Novemberwind um die Häuser- sah ich eine Schwalbe einsam auf einem Leitungsdraht sitzen. Die anderen Schwalben waren längst gen Süden gezogen, der Sonne nach. Nur sie war zurückgeblieben. Verängstigt hockte sie auf dem Draht und gab klägliche Laute von sich. So wie diese Schwalbe fühle ich mich, wenn ich durch den Ort gehe und die versiegelten Türen sehe mit dem braunen Papierstreifen. Aus manchen Häusern klingen slawische Laute, die meisten stehen leer.

Hungrig streifen Hunde und Katzen umher und nehmen ängstlich Reißaus, wenn Schritte sich nähern. Hier und da blöken Ziegen in den Ställen, gequält vom übervollen Euter. Geh’ nur, versuch’ den armen Tieren zu helfen, du wirst schon sehen, was dir geschieht. Du musst vorüber gehen und darfst es nicht einmal wagen, einen Blick in die verlassenen Stuben zu werfen. Heimat, was ist mit dir geschehen?

Bei Gottfried Keller habe ich gelesen: „Es gehört auch zum Leben, sich einer schweren Notwendigkeit unterziehen zu lernen und von der Hoffnung zu zehren.”

18. August 1946

Die Ernährungslage in Deutschland führt bei uns oft zu lebhaften Debatten. Einmal heißt es, die Versorgung mit Lebensmitteln sei schlecht, andererseits berichten Ausgesiedelte, es gehe ihnen nicht schlecht. Mit Schrecken las ich im Schweizer Vorwärts von der Herabsetzung der täglichen Kalorienmenge auf 1.000 Kalorien. In der amerikanischen Zone sei die Zahl auf 2.000 erhöht worden. Man spricht von einer Riesenweizenernte in Amerika. Aber genügt Weizen allein, um die Kalorienzahl verdoppeln zu können? Gehören dazu nicht auch Fleisch und Fettstoffe?

Sollte mein Vater das lesen, wird er sagen: Was Du schreibst, gehört in einen Brief an einen Freund oder Bekannten, nicht in ein Tagebuch. Und ich werde antworten: Du hast recht, aber ich habe keinen Briefpartner. Deshalb schreibe ich Briefe an mich selbst in Form eines Tagebuchs. Es sind Selbstbefragungen. Ich richte Fragen an mich und gebe mir selber die Antwort. Das ist manchmal nicht einfach und führt leicht zu Fehlschlüssen.

Da ich eben über die Ernährungslage in Deutschland orakelt habe, will ich erwähnen, wieviel Lebensmittel einem tschechischen jugendlichen Arbeiter zustehen, wenn er neben der normalen Lebensmittelkarte Zulagekarten von seiner Firma und von der Gemeinde bekommt. Ihm stehen pro Monat zu:

12,40 Kilogramm Brot, 6,20 Kilo Weißgebäck oder 3,25 Kilo Weizenmehl, acht Liter Vollmilch, 250 Gramm Margarine, 250 Gramm Butter, 120 Gramm Fett, 1,40 Kilo Zucker und 3,65 Kilo Fleisch- bzw. Wurstwaren. Ich habe ausgerechnet, dass das insgesamt 62.065 Kalorien ergibt. Wenn man die Zahl durch 28 teilt ergibt das 2.216 Kalorien pro Tag.

Hebefest

Heute will ich endlich wieder einmal „Tagebuch” schreiben. Dazu muss ich ein wenig ausholen. Wann war das eigentlich? Ach ja, an einem Samstag war’s, wir schrieben den 10. August. Der Graben zum Hydrowerk war fertig. Am 15. August sollte zum ersten Male Wasser durch den neuen Kanal zu den Turbinen fließen. Hebebäumchen mit bunten Bändern schmückten die Baustelle. In der Kirchenschenke saßen die Arbeiter an weißgedeckten Tischen. Rings an den Wänden Hirschgeweihe und Wildsauschädel. Unter der Decke quer durch den Saal Schnüre mit farbigen Papierstreifen.

Auf dem Podium stimmten die Musikanten ihre Instrumente und bald schmetterte ein flotter Marsch durch den Raum. Eilig flitzte der Wirt hin und her und stellte vor jeden ein Glas mit schäumendem Gerstensaft. Vergessen die Arbeit und die Hitze. Hebefest ist. Auch der spleenige bucklige Hannes hatte seinen Sonntagsstaat angelegt. Wenn die Tanzpaare durch den Saal schwirrten, stieß er hin und wieder einen gellenden Schrei aus und stampfte mit wehenden Rockschößen, einen Arm in die Hüfte gestemmt, allein durch die Menge. Und wenn einer rief: „Hannes gib acht auf den Ast unter Deinem Rocke, dass Du ihn Dir nicht irgendwo abbrichst”, dann schwenkte er seine Kappe noch wilder und stampfte noch fester mit seinen Stiefeln auf den Boden.

Je mehr der Alkohol die Köpfe erhitzte, desto lauter und lustiger ging es zu. Fiedel und Harmonika hatten Mühe, den Lärm der vielen Stimmen zu übertönen. Das summte und surrte durch den Saal, wie in einem aufgescheuchten Bienenstock. Und als dann Hannes auf einen Stuhl stieg und eine Rede hielt auf den heutigen Tag, wollte der Jubel kein Ende nehmen.

Auch mit mir hatte Hannes, der mir wie die Hauptperson dieses denkwürdigen Tages vorkam, angestoßen. Schwankend war er auf mich zu gekommen, hatte mich an der Hand gefasst und auf mich eingeredet: „Do hou ich tanza gelernt als Kalzla vor 19 Jurn. On jetz seins siebza Jure ha, wo ichs letzte Mol doe getanzt hou. On heite will ich noch ejmol do tanza, zom letzta Mole, denn baal gieh ich of Wandoschoft.” Dabei blickte sein schielendes Auge wer weiß wohin und mit dem anderen sah er mir fest ins Gesicht. Was Hannes da im Riesengebirgsdialekt gesagt hatte, grub sich mir tief ins Gedächtnis. Auf Wanderschaft gehen nannte er den erzwungenen Weggang aus der Heimat. Lange nachdenken konnte ich darüber nicht; denn schon wieder hielt einer mir sein Gläschen entgegen und ich musste anstoßen, ob ich wollte oder nicht.

So wurde es Abend und mancher saß schon recht steif auf seinem Stuhl, bis plötzlich eine Stimme in den Lärm rief: „Alles einsteigen.” Kurz darauf stolperte ein Häuflein schwankender Gestalten zu dem Lastauto vor der Tür, das uns nach Trautenau brachte. Nur noch dunkel erinnere ich mich an diese Fahrt. Zweimal machte ich unterwegs die Augen auf. Einmal sah ich so etwas wie den Freiheiter Bahnhof und dann den verwischten Schatten der Eisenbahnüberführung am Rande von Trautenau. Dazwischen hörte ich jemanden rufen: „Kurt, Deine Mütze!” Ich konnte nur kurz meinen Kopf heben, der aus „Sicherheitsgründen” über der Kastenwand hing. Meine Mütze habe ich nie wieder gesehen.

Von Trautenau aus musste ich mit dem Fahrrad weiter. Ich habe es wohl geschoben. Der Weg war lang, ich sah nicht recht, mir wurde mies, mir wurde schlecht. Der Weg war lang, es kam die Nacht und manchmal habe ich gedacht, du rührst kein solches Glas mehr an, beherrsche, dich und sei ein Mann. Ich seh’ Euch lächeln, lächelt nur, es ist doch stets die gleiche Tour: der Mensch bleibt halt ein schwacher Wicht, selbst wenn er starke Worte spricht.

Erst der nächste Morgen brachte mich wieder zu Verstand. Welch’ eine Schande! Es folgte der gewöhnliche Kater, der sich diesmal schrecklich in die Länge zog. Ich fühlte mich als der bemitleidenswerteste Mensch der Welt. Am Dienstag war ich beim Arzt, der einen Magen- und Darmkatarrh feststellte. Ich hatte ihm erzählt, dass ich unreifes Obst gegessen und mir daran anscheinend den Magen verdorben habe. Ich musste gallebittere Tropfen schlucken und Wermuttee trinken. Es half, aber wahrscheinlich bin aus Angst vor dieser Medizin gesund geworden. Acht Tage währte meine Krankheit. Urlaub bekam man ja keinen…

Morgen muss ich wieder zur Arbeit. Nicht mehr lange, dann ist es vorbei, dann gehe auch ich auf „Wanderschaft”. Noch sechs Wochen, dann muss alles hinaus sein, wird erzählt. Seit Mai heißt es immerzu: wir fahren „in drei Wochen”. Von Lois kam inzwischen Nachricht aus Deutschland. Sein Transport ist nordwestlich von Magdeburg gelandet. Es gehe ihnen gut. Gerüchten, die über die russische Zone in Umlauf seien, sollten wir keinen Glauben schenken.

Sonntag, 8. September 1946

Es herbstelt. Nach einer kalten Nacht liegen die ersten Blätter auf der Straße. Wenn ich morgens zum Zug gehe ist es noch dunkel. Mühsam kämpft sich die Sonne durch den Nebel. Lange steht sie wie eine gelbe Scheibe am Himmel. Erst wenn vom Turm der Marschendorfer Kirche acht zitternde Schläge gefallen sind, lichten sich die grauen Schleier und die nebelfeuchten Wiesen schimmern hell in der Sonne. Wie Perlen hängen glitzernde Tropfen an den Halmen.

* * *

Morgenläuten

Lächelnd küsst die Sonne wieder / alle Häupter meiner Höhen / und es klingt das Lied der Lieder / jubelnd nach dem Dunkelwehen. – Alles Böse und das Schwere / flieht von mir – ich bin erlöst / und es scheint mir fast als wäre / nie und nimmer es gewest. – Schillernd Regentropfen hängen / an den Blättern, perlengleich / und es ist beinah’ als klängen / Glocken durch mein stilles Reich. – Ja, ich höre Morgenläuten, / dort vom Berge schwingt’s herab / aber ach, wie soll ich’s deuten / heißt es Leben oder Grab?

* * *

Letzter Sonntag daheim

Heute schreiben wir den 15. September – ein Sonntag. Am 25. dieses Monats fährt unser Transport. Nächsten Sonntag bin ich schon im Sammellager in Jungbuch. Ich will nicht daran denken. Nun, da sich meine Hoffnung erfüllen soll, da ich endlich all denen folgen soll, die bereits fort mussten und die ich in Deutschland wieder zu treffen hoffe, jetzt schmerzt mich der bevorstehende Weggang stärker als gedacht.

18. September 1946

Nach meiner „Krankheit” habe ich noch drei Tage in Marschendorf IV. Teil gearbeitet, dann musste ich auf eine Baustelle in Marschendorf I. Teil, wo auf dem Gelände der Firma Eichmann ein altes Gebäudeteil abgerissen wurde. Wieder hantierte ich mit Schaufel, Krampen, Spitzeisen und Schlegel. Betonfundamente, ungefähr einen Kubikmeter groß, mussten zum Schluss aus dem Steinboden gestemmt werden. Jeden Tag gingen dabei ein bis zwei Schlegelstiele entzwei. Eine harte Arbeit, von der später jeder einzelne Finger schmerzte. Doch nun ist es vorbei. Gestern habe ich mich im Büro abgemeldet und den ausstehenden Lohn in Empfang genommen.

Eine seltsame Unrast verspüre ich. Es ist wohl das Reisefieber. Es gäbe noch viel zu tun, aber ich kann mich zu nichts aufraffen Vielleicht ist auch das Wetter schuld. Regenschwere Wolken bedecken den Himmel. Traurig lassen die Birken ihre Äste mit den gelb gewordenen Blättern hängen. Auf den Feldern rauchen Kartoffelfeuer.

20. September 1946

Es ist es so weit. Meine Kiste mit Kleidung, Schuhwerk und ein paar Büchern ist schon in Jungbuch. Am Sonntag geht es ins Lager. Mama, Margit und Oma sollen mit dem nächsten Transport nachkommen. Papa meinte heute, bei der Kontrolle seien sie scharf auf Papiere. Auch meine Aufzeichnungen, Briefe und Gedichte seien in Gefahr.Er will sie deshalb in seinem Gepäck „verbauen”.

Zum letzten Mal sitze ich an diesem Fenster. In mir ist ein so starker Schmerz, dass ich ihn körperlich spüre. Noch zwei Tage bin ich daheim. Noch 48 Stunden habe ich meine Mutter, meine Schwester und meine Großmutter um mich. Noch 48 Stunden bin ich zwischen meinen Bergen. Noch 48 Stunden höre ich unsere alte Uhr ticken. Noch zweimal werde ich hier den Tag kommen und gehen sehen – dann werde ich gehen. Für immer.

In Deutschland

Eislingen/Fils, 27.Oktober 1946. Ich will nachtragen, was ich unterwegs und in den Lagern notiert habe.

22. September 1946

Jetzt beginnt wieder das Zigeunerleben. Ich kenne es von der Militärzeit her. Seit sieben Stunden sind wir im Aussiedlungslager Jungbuch. Die Kontrolle des Gepäcks ist vorbei. Es ging alles gut. Nur zwei Zigaretten wurden mir weggenommen. Erst später in Deutschland bemerkte ich, dass auch mein Rasierzeug dran glauben musste.

Um mich herum schwirren Stimmen. Unten im Hof wird emsig gearbeitet wie in einem Ameisenhaufen. Berge von Kisten stehen herum. Wie sollen diese Berge zusammen mit 1.200 Menschen in 40 Waggons untergebracht werden? Ich kann mir das nicht vorstellen. Jede Kiste ist etwa einen Meter lang, einen halben Meter hoch und eine halben Meter breit. Pro Person sind drei Kisten erlaubt, also etwa ein Dreiviertelkubikmeter. Man stelle sich vor – 30 Personen und circa 90 Kisten in  e i n e m  Güterwaggon

Am Nachmittag dieses Sonntags wird probeweise verladen, um zu sehen, wieviel Kisten in einem Waggon untergebracht werden können. Theoretisch müsste es klappen, und es klappte tatsächlich. Nach einer verregneten Woche der erste schöne Tag. Warme Sonnenstrahlen fallen in den Fabriksaal, der 12o Personen beherbergt. Wir werden die letzten vier Waggons beziehen.

Auf dem Hof wird es langsam still. Die letzten Kisten werden auf Sackkarren ins Magazin gefahren und waggonweise aufgestapelt.

Als wir heute früh Papas Wohnung verließen sah ich zum ersten Mal Tränen in seinen Augen. Er wollte sie zurückhalten. Es half nichts, dass er die Zähne zusammenbiss, bis sie knirschten. Papa weinte. Dieser harte Mann, der so unerbittlich sein konnte, weinte. Es war ergreifend.

Gegen Abend versammelten wir uns alle im Hof. Dr. Alois Mühlberger, ein führender sudetendeutscher Sozialdemokrat, hielt eine Rede. Er sprach davon, dass es für alle schwer sei, die Heimat zu verlassen. Wir sollten Geduld haben, den Mut nicht verlieren und vor allem nicht unsere Würde. „Ihr kommt in ein armes Land, aber ihr werdet genug zu essen haben. Ihr werdet arbeiten und eine neue Heimat aufbauen, eine Heimat für Euch.”

Ja, alle wissen, dass es schwer werden wird, dass niemand mit offenen Armen auf uns wartet. Man wird uns als Eindringlinge betrachten, die von dem ohnehin knappen Brot mit zehren wollen. Aber wir treiben dahin in einem mächtigen Strom. Eine Art Massenpsychose hat alle erfasst. „Nur raus!” Immer wieder und überall sind die beiden Worte zu hören.

23. September 1946

Das ist nun der zweite Tag im Lager. Die Nacht war kalt und ein Wänzlein versuchte, mir am Handgelenk Blut abzuzapfen. Jeder hat nur eine Decke. Ich habe meinen Regenmantel übers Gesicht gelegt. Darunter wurde es durch die ausgeatmete Luft etwas wärmer. Unser Saal ist jetzt voll belegt. Heute kamen noch die Waggons 38, 39 und 4o. Die Stimmung ist nicht schlecht. In manchen Sälen wird abends getanzt. Bei uns ist es verhältnismäßig ruhig. Die ersten Waggons werden verladen.

24. September 1946

Das war ein heißer Tag. Bis sieben Uhr abends sollte alles verladen sein. Keiner glaubte, dass wir es schaffen.Wir schafften es. Der Boden eines jeden Waggons wurden mit Kisten auagelegt. Darauf wurden in Reihe Kisten als Sitzgelegenheit gestellt.Um acht Uhr waren die letzten Kisten im Zug. In dieser Nacht hat fast keiner geschlafen. Bis zwei Uhr war es laut, um drei Uhr standen die ersten schon wieder auf.

25. September 1946

Um halb sechs Abmarsch aus dem Lager. Um halb acht Abfahrt von Trübenwasser. Ein letzter Blick auf die Heimat.Unsere Fahrroute ging über Trautenau, Königgrätz, Chlumec, Lissa, Nymburk, Melnik, Leitmeritz, Aussig, Karlsbad, Eger. (Acht Stunden Aufenthalt). Wiesau. (Acht Stunden Aufenthalt). Nürnberg, Augsburg, Ulm.

Über die dreitägige Fahrt selbst könnte ich viele Seiten füllen. Es ließe sich schreiben über die Bequemlichkeit der Einheitskistenpolsterstühle, über die Leichtigkeit des Einstiegs in den Waggon und über das Wasserklosetts, das aus einem Eimer mit Wasser bestand. In Aussig wurde wir erstmals verpflegt. Es gab Erbsenschalen in heißem Wasser.Von dort ging die Fahrt ohne Halt weiter bis Eger.

Erste Station auf deutscher Seite: Schirnding. Hier wurde die Lokomotive abgekoppelt und die tschechische Bewachung fuhr zurück.. In Wiesau Übernahme durch den deutschen Grenzkommissar für das Flüchtlingswesen. Alle wurden ärztlich untersucht und „entlaust”. Zu essen gab es Erbsbrei, Butter, Wurst, Brot, Mehl, Zucker. Weiterfahrt nachts um halb eins.

Im Waggon ist es eng. Der Boden ist vollständig mit Kisten ausgelegt. An den Wänden und in der Mitte dienen Kistenreihen als Sitzgelegenheit. Nach drei Tagen Fahrt haben die Frauen geschwollene Füße. Mir tun die Knie weh. Die dritte Nacht ohne Schlaf. Ich lehne meist an der Wand bei der Tür. Wenn mir die Augen zufallen, knicke ich ein. Es wird hell. Am Zug fliegt bayerisches Land vorbei. Bauern bei der Kartoffelernte. Weite fruchtbare Ebene.

Eintönig rattern die Räder. Die Rucksäcke an der Wagendecke schaukeln hin und her. Weiter, immer weiter. Wo bist du, Heimat?

27. September 1946

Neu-Ulm. Der Zug hält. Wir sollen hier bleiben, obwohl Göppingen unser Ziel ist. Der Zug wird in mehrere Teile getrennt und auf Nebengeleise geschoben. Um uns riesige Lagerhäuser der Baywa. 300 Menschen findem in dem einen, 900 in dem anderen Unterkunft. Das Durcheinander in den Treppenhäusern während der Dunkelheit lässt sich kaum beschreiben. Von Organisation keine Spur.

Warum sind wir in Neu-Ulm hängen geblieben? Die Leute aus Braunau, die nach Heidenheim sollten, sind drei Tage vor uns in Göppingen gelandet. Wir müssen so lange warten, bis sie an ihren eigentlichen Bestimmungsort weitergereist sind. Die Auffanglager sind voll. Gerüchte schwirren hin und her. Die Verpflegung ist schmal. Noch haben wir alle zum Zusetzen. Aber wir „liegen auf der Straße”, sogenanntes 50-Kilo-Pack.

Ein Geschenk hat uns Gott mit auf den Weg gegeben – herrliches Wetter! Wenn sich der Nebel gegen elf Uhr hebt, scheint dieselbe Sonne wie daheim. Um mich herum höre ich heimatliche Laute wie ein vertrautes Lied aus der Kindheit. Abends leuchten die selben Sterne wie daheim. Der Mond steht als schmale Sichel am Himmel, wird langsam dunkelgelb und versinkt dann hinter schwarzgezackten Ruinen.

Allmählich wird es ganz still. Ich krieche in unseren Waggon 36. Zusammen mit Papa bewache ich die im Wagen verbliebenen Kisten, lege mich hin und schlafe nach drei durchwachten Nächten sofort ein.

Sonntag, der 29. September 1946

Vier volle Tage stehen wir schon auf dem Nebengleis, warten und warten und wissen immer noch nicht, wie es mit uns weitergehen soll.

1. Oktober 1946

Ich bin vor allen geflohen. Hoch oben, unter dem Dach eines von Bomben beschädigten fünfstöckigen Speichers sitze ich jetzt und schreibe. Krähen ziehen krächzend mit schweren Flügelschlägen an den Luken vorbei. Grell tönt von unten her der Pfiff einer Rangierlokomotive. Schier ewig hält sich der Nebel. Noch drei Stunden etwa, dann wird er den Blick wieder freigeben auf die Zerstörungen, die der Krieg hinterlassen hat.

Noch immer kann ich nicht fassen, dass ich von daheim fort musste. Warum, warum das alles? Unentwegt quält mich diese Frage und ich finde keine Antwort. Ein Wahnsinn ist das Ganze, ein zum Himmel schreiendes Verbrechen.

Dr.Mühlberger hatte uns das Wort Solidarität mit auf den Weg gegeben. Vielleicht hätte er es erklären sollen; denn viele wissen nichts damit anzufangen. Wie können sie danach handeln? Was sich zum Beispiel gestern bei der Deckenausgabe abgespielt hat war beschämend. Es sind immer dieselben, die uns alle kompromittieren. Man sollte sie aus der Gemeinschaft ausschließen und ihnen jegliche Hilfe verweigern. Vielleicht würden sie lernen, sich zu benehmen.

„Bewahrt Eure Würde vor unseren Göppinger Genossen”, hatte uns Dr.Mühlberger in Jungbuch ermahnt. Darüber kann ich nur lächeln. Für manche ist Würde ein Tarnmantel, unter dem sie ihre Schwächen verstecken. Sie verwechseln Würde mit Überheblichkeit und machen sich lächerlich. Würde kann man nicht überstreifen wie ein Kleidungsstück. Sie ist angeboren und verleiht dem Menschen, der sie besitzt, ein unnachahmliches Fluidum.

Die Würde eines Arbeiters besteht aus seinem Fleiß, seiner Gewissenhaftigkeit und seiner Ehrlichkeit. Er darf nicht streitsüchtig sein und nicht egoistisch. Ruhig und zuvorkommend sollte er auftreten und hilfsbereit sein gegenüber Schwachen. Ohne Gemeinschaftsgefühl gibt es kein vernünftiges Zusammenleben.

31. Oktober 1946

Donnerstag. – Jetzt ist Ruhe um mich. –

27. November 1946

Wie lange habe ich jetzt schon nicht geschrieben! Acht Wochen ist es her, seit ich zu Hause die letzten Zeilen zu Papier gebracht habe. Dann die Aufzeichnungen in Neu-Ulm. Ein letztes verzweifeltes Aufbäumen. Einige Seiten – dann nichts mehr.Aus dem Gedächtnis heraus will ich einiges aus der jüngsten Zeit nachtragen.

Zwei Wochen blieben wir im Durchgangslager Neu-Ulm. Was für schreckliche Tage voller Verzweiflung, voller Streitigkeiten, Neid und Gerüchten. Was für ein aufreibendes Warten auf Entscheidungen über unser weiteres Schicksal. Wann würde die Fahrt nach Göppingen weitergehen? Immer wieder Kämpfe mit den Flüchtlingsdienststellen, aber auch innerhalb der Transportführung. Jeder wollte befehlen und persönlichen Nutzen daraus ziehen.

Nach einer Woche mussten wir den Zug räumen. Hartnäckig hatten wir uns dagegen gesträubt. Das Gepäck wurde im Eßsaal untergestellt. Wie oft sollten die beschädigten Kisten noch durch unsre Hände gehen? Warten, warten. Immer wieder neue Gerüchte, schließlich glaubte niemand noch irgend etwas.

Tag für Tag Regen. Gelber Lehm klebte an den Schuhen, rings herum zerstörte Häuser. Es war trostlos. Wann können wir weg von hier? Wie oft hörte ich diese Frage. Wir mussten warten, Tag um Tag. Es war kalt.

Eines Tages waren die Heimatreserven aufgezehrt. Was nun? Frieren  u n d  hungern, das ist bitter. Immer wieder hieß es: wir laden ein. Dann war es endlich so weit. In einem halben Tag musste alles verladen sein. Wir schafften es. Nachmittags um halb zwei sollten wir abfahren. Es wurde Abend. Wir standen immer noch. Aus einem der Waggons klang ein Schifferklavier durch die Nacht.

Schließlich setzte der Zug sich doch in Bewegung.Wieder ratterten die Räder ihr monotones Lied. Von Ulm bis Göppingen sind es 45 Kilometer. Der Zug brauchte dafür zwei Stunden. Nachts um elf Uhr schob man uns im Bahnhof Göppingen auf ein Nebengleis. Niemand kümmerte sich um uns. In unbarmherziger Kälte stand der Mond am Himmel. Wir warteten. In den Waggons blieb es finster. Alle Kerzen waren abgebrannt. Aus einem Waggon nebenan schrie ein Kind. Eine schreckliche Nacht.

Gegen sieben Uhr morgens ruckte es. Eine Lokomotive hatte angekoppelt. Sie schob uns ein Stück, dann wurde ausgeladen und es ging in verschiedene Lager: Speiser, Märklin, W.M.F., Handelsschule und Boehringer. Ein Saal bei Boehringer war unsere Unterkunft. Wir wurden zum dritten Male geimpft und sogar geröntgt. Leute vom Arbeitsamt kamen und fragten nach Beruf und sonstigen Fertigkeiten. Nach zehn Tagen wurden unsere Kisten wieder verladen und per Auto ging es nach Eislingen an der Fils, wenige Kilometer von Göppingen entfernt..

In einer leeren Schule wurden wir untergebracht. Nach abermals zehn Tagen verließen wir das Lager und kamen bei seelenguten Menschen unter. Unsere erste feste Adresse in Deutschland: Eislingen/Fils, Pfarrgasse 12, bei Erb.

Dann begann die Jagd nach alltäglichen Dingen. Nur schwer waren sie aufzutreiben, manche gab es überhaupt nicht. Jede Woche einmal zum Arbeitsamt. Oft bekam ich zu spüren, dass ich einer von denen bin, die Flüchtlinge heißen, Ausgewiesene, Vertriebene oder Neubürger.

Noch während des Aufenthalts im Flüchtlingslager Schule in Eislingen kam ein Brief von Christl. Es war in der ersten Novemberwoche. Sie lud mich zu Besuch ein. Am 9. November fuhr ich nach Ronshausen im Hessischen, blieb zehn Tage dort und fuhr am 20. November wieder „heim”.

Hier erwartete mich der rauhe Alltag. Wieder zum Arbeitsamt, wieder erfolglos bis auf den heutigen Tag, den 23. Dezember 1946.

Auch mein Vater ist noch ohne Arbeit. Unsere 500 Reichsmark schmelzen dahin. Manchmal denke ich, das Leben wolle mich zerbrechen. Einen Tag vor Heiligabend fühle ich mich einsam wie immer, mit einer kleinen Hoffnung im Herzen. Morgen ist Heiligabend.

Es ist kalt in der Stube. Kein Weihnachtsbaum, keine Kerze, kein grüner Zweig.

In dieser Stunde denke ich an meine Mutter, an meine Schwester, an meine Großmutter und wandere über die Brücke der Sehnsucht zurück in die Heimat.

Heute ist der 8. Februar 1947

Sechs Wochen sind vergangen seit meiner letzten Eintragung. Viel ist mir in dieser Zeit durch den Kopf gegangen. Jetzt liegt das Papier vor mir aber mein Kopf ist leer.So ganz anders hatte ich mir das Leben in Deutschland vorgestellt. Meine Seele singt nicht mehr. Daheim ließ jeder Sonnenuntergang Lieder in mir erklingen. Jeder Abend stimmte mich froh und traurig zugleich.

Alles dahin. Als sei mein inneres Auge erblindet. Kalt geht es über Bilder hinweg, die mich daheim tief berührten. Liegt es am Winter oder an der allgemeinen Not? Nein, daran liegt es nicht.

Lieben möchte ich und geliebt werden. Einen Menschen an meiner Seite haben, der mich versteht.

Wenn nur der Winter bald vorbei wäre! Zum Glück habe ich Arbeit gefunden. Am 24. Jänner war zum ersten Male ein Gedicht von mir in der Zeitung. „Im Traum”. Die einzige Freude in den vergangenen Wochen. Endlich eine Anerkennung.

Christl schweigt. Nur eine Karte kam vor ein paar Tagen. Habe  i c h  ihr wehgetan oder  s i e  mir? Ich weiß es nicht. Trotzdem – es ist gut, dass es so gekommen ist.

22. Februar 1947

Christl schweigt, schrieb ich am 8. Feber. Noch einmal, zum letzten Mal, will ich dieses Kapitel aufblättern, jetzt, da es ein Ende gefunden hat, das mir stets unvorstellbar erschien. Es ist aus, ja, das Kapitel ist zu Ende, vorbei. Nicht durch meine Schuld und nicht durch Christls. Die näheren Umstände will ich unerwähnt lassen. Ich war zunächst furchtbar wütend, inzwischen habe ich mich beruhigt. Jetzt versuchen wir einander immer wieder mit einer Karte oder einem Brief weh zu tun. Es ist ein Trauerspiel.

Seit zwei Wochen arbeite ich zusammen mit einem pensionierten Lehrer in einer städtischen Wohnungskommission. So lerne ich nicht nur die Wohnungsnot unmittelbar kennen, sondern auch das soziale Elend vieler Menschen. Neben schwäbischen Wohlstand habe ich Flüchtlingswohnungen gesehen, deren Bewohner einen einzigen Wunsch haben: nur weg, nach Hause, zurück in die Heimat.

Können wir auf eine bessere Zukunft hoffen? Werden wir immer Sklaven bleiben? Will man uns verhungern lassen? Gibt es einen Ausweg? Ach, alles ist so trostlos und ich trage mich ernsthaft mit dem Gedanken, diesem Deutschland den Rücken zu kehren. Wohin ich mich wenden werde, weiß ich noch nicht. Eines scheint sicher: hier hat die Jugend keine Zukunft.

Eine Fabrik nach der anderen wird stillgelegt. Sehr viele Menschen werden arbeitslos.Manche haben noch Geld, viele haben keines mehr. Was dann? Dann wird eines Tages die Revolution da sein, die wir 1945 versäumt haben, der letzte große Prüfstein. Dann wird sich erweisen, ob dieser Volkskadaver die Kraft zu einem neuem Leben hat. Der Versuch, sich aufzurichten, wird kommen und wenn wir an ihm zugrunde gehen. Das Volk hungert – und tanzt.

26. Februar 1947

Weil ich statt des sechs Seiten langen Originals den Durchschlag eines Textes von Papa auf Tipfehler durchgesehen habe, erregte sich Papa schrecklich. Er sagte unter anderem, es tue ihm leid, dass ich nicht an der Front gefallen bin.

30. Mai 1947

Es ist eine Schande, dass ich so wenig schreibe. Aber ich bringe nichts zu stande. Seit mein Vater sich zu dieser Bemerkung hinreißen ließ, ist etwas in mir zerbrochen. Immer öfter überfällt mich unerträgliches Heimweh. Obwohl hier die gleichen Blumen blühen wie daheim, obwohl die gleichen Vögel singen und derselbe Mond am Himmel steht, ist alles so unsagbar fremd. Es ist wie eine böse Krankheit. Ich kenne sie gut. Damals in Berlin hat sie mich auch so gepeinigt. Oft sitze ich abends draußen und lasse mich einspinnen in einen schönen Traum. Ich schließe die Augen – und bin daheim.

* * * 

Karfreitag, 26. März 1948 – Ostern

Fast ein Jahr ist es her seit der letzten Eintragung. Übermorgen hat Christl Hochzeit. Wie sich doch die Menschen und ihre Gefühle ändern.

Ich will das vergangene Jahr noch einmal an mir vorbeiziehen lassen. Am 22. Juni 1947 brach ich alle Brücken hinter mir ab. Wortlos verließ ich meinen Arbeitsplatz in Göppingen, wortlos ging ich fort von Eislingen und fuhr mit der Bahn Richtung Bayern, Richtung tschechische Grenze. Es war an einem Sonntag. Als ich in Furth ankam regnete es. Über Hügel und Täler hinweg konnte ich hineinsehen nach Böhmen. Dicht an der Grenze stand eine kleine Kirche. Ich setzte mich auf eine Bank und weinte. Irgendwo in der Ferne zwischen verregneten Bergen lag weit weg die verlorene Heimat.Plötzlich musste ich an meinen Vater denken, wie er hohlwangig neben mir herging, etwas gebeugt, schon mit vierzig Jahren ergraut. In diesem Augenblick tat er mir unendlich leid. Ich kehrte um.

Mein Heimweh hatte ich nicht verloren. Die Spannungen zwischen meinem Vater und mir nahmen zu. Seine Strenge und Härte waren kaum zu ertragen. Immer fremder wurde er mir. Ohne Widerrede musste ich alles hinnehmen. Mein Vater sieht nur die Fehler der anderen.

Zu jener Zeit arbeitete ich als Statistiker bei der Spruchkammer in Göppingen. Ich musste für die Militrärregierung gewissermaßen Buch führen über die Verfahren, die im Rahmen der Entnazifizierung gegen belastete Nazis und ihre Mitläufer angestrengt wurden.

Einen Tag vor Heiligabend verließ ich die kleine Wohnung, in der ich mit meinem Vater und dessen Lebensgefährtin „Tante Anni” bis dahin gewohnt hatte und bezog als Untermieter ein Dachzimmer am Rande von Eislingen.

Auf einer Weihnachtsfeier für die Beschäftigten der Spruchkammer hat mich eine Frau geküsst, die einige Häuser neben mir wohnte und die als Sekretärin gleichfalls bei der Spruchkammer arbeitete.Wir hatten uns auf dem Weg zur Arbeit kennen gelernt. Sie war elf Jahre älter als ich. Ihren Mann hat sie im Krieg verloren. Gemeinsam feierten wir Silvester und gemeinsam verbrachten wir den folgenden Fasching.

Mein Vater will uns auf dieselbe Art und Weise auseinander bringen, wie er das bei Christl und mir zu stande gebracht hat. Ich weiß, dass ich auch diese Frau verlieren werde. Vielleicht klammere ich mich deshalb an jede gemeinsame Stunde. Wie wird das noch enden?

Ostermontag 1949

So wie es enden musste. Am 5. August 1948 reiste Gertrud nach Lübeck zu ihrer Mutter, die auf Hilfe und Unterstützung angewiesen war. Ein Abschied für immer, über den ich mir auf meine Art hinweghalf – ich schrieb eine Erzählung. Neun Monate sind seither vergangen. Ich habe die Frau mit den langen blonden Haaren nicht vergessen.

Ich denke, dass mich das vergangene Jahr reifer und härter gemacht hat. Arbeitslosigkeit, niedrige Arbeit, schlechte Menschen, bittere Erfahrungen. Was wird in einem Jahr sein?

31.12.1949 – Silvesterabend – Stuttgart

Wenn ich jetzt einige Zeilen anfüge, dann tue ich das aus einer gewissen Verpflichtung gegenüber dem bisher Geschriebenen heraus. Vor kurzem hat sich mein Jugendwunsch erfüllt, bei einer Zeitung arbeiten zu können. Ich habe viel gelernt seither und lerne jeden Tag Neues hinzu. Das Jahr 1949 hat noch drei Stunden vor sich. In zwei Stunden fahre ich in die Stadt, um Eindrücke für eine Reportage über die Silvesternacht zu sammeln.

Mein Wunsch für 195o? Ich habe keinen. Wünsche sind sinnlos. Die Tage kommen und gehen. Ich bin keiner Sentimentalität mehr fähig. Die Jahreswende begehe ich ohne wehmutsvolle Erinnerungen und vage Zukunftshoffnungen. Nur an Mutter, Margit und Oma will ich denken. Kämen sie nur bald. Oft denke ich, ich hätte sie alle für immer verloren.

29. April 1950

Und nun ist Ilse da. Es wird der letzte Frauenname in diesen Blättern sein.

 

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